Todesritual: Thriller (German Edition)
muerto«, flüsterte Teófilo.
Auf die bewachten Wohnanlagen folgten Mietshäuser. In den Fenstern brannte Licht.
Erst hinter der nächsten Kreuzung waren sie bei den zweistelligen Hausnummern angelangt. Max ließ Teófilo anhalten.
Er stieg aus, nahm das meiste Geld aus seiner Brieftasche und gab es dem Fahrer, der es mit weit offenem Mund zählte und noch einmal zählte und schließlich ein breites Grinsen aufsetzte.
»Wenn wir wieder zurück sind, kriegst du mehr. Quinientos pesos más «, sagte Max.
»Ich hier warten auf dich.«
30
Der Wohnblock gehörte zu einer langen Reihe augenscheinlich identischer Häuser, die, soweit Max sehen konnte, den Rest der Calle Ethelberg einnahmen. Ein schlanker dunkler Kubus mit sieben Fensterpaaren und einer zurückgesetzten Eingangstür an der Stirnseite. Von seinen Nachbarn unterschied es sich nur durch die Hausnummer und eine kleine blasse Satellitenschüssel, die wie eine trotzige Ansteckblume oben am Dach klebte.
Die Eingangstür war, wie erwartet, verschlossen. Max hatte sein Werkzeug mitgebracht: eine elektrische Sperrpistole und einen Drehmomentschlüssel. Zu seinem 25. Geburtstag hatte einer seiner damaligen Informanten, ein Mann namens Drake Henderson, ihm Unterricht im Schlösserknacken erteilt. Damals hatte man das noch mit einfachem Werkzeug gemacht – Schraubenschlüssel, Hammer und Dietrich –, und das amerikanische Durchschnittsschloss war in acht Minuten geknackt gewesen. Es waren die besten und die schlimmsten Schlösser der Welt, je nachdem, ob man der Einbrecher oder der Beklaute war. Inzwischen ging das elektrisch, man brauchte nur noch ein einziges Werkzeug – eine akkubetriebene Sperrpistole – und dazu etwas rohe Gewalt und das richtige Timing.
Es war eine Weile her, dass Max zuletzt irgendwo eingebrochen war, aber es war ein klassisches Schließzylinderschloss, und er wusste genau, was er zu tun hatte.
Stockfinstere Dunkelheit. Max schaltete seine kleine Taschenlampe ein.
Er stand in einer langen, schmalen Eingangshalle mit einer Treppe am Ende, die zu beiden Seiten von kleinen Topfpalmen flankiert war. Die Bodenfliesen zeigten eine Karte Kubas. Kein Empfangstresen, keine Stühle, keine Kameras.
Ein Aufzug zu seiner Rechten, und an der gegenüberliegenden Wand in drei Reihen übereinander ein Dutzend Briefkästen aus Holz, jeder mit einem Namensschild versehen. Er fand »Vanetta Brown« am Anfang der zweiten Reihe, mit Schreibmaschine in Großbuchstaben getippt, dahinter in Klammern die Ziffer »5«. Der Briefkasten war leer, genau wie die anderen, was bedeutete, dass theoretisch alle zu Hause waren.
Er nahm die Treppe.
Im ersten Stock, auf einem Treppenabsatz aus Marmor, stand er vor zwei Türen, eine rechts und eine links, auf beide war mit Schablone in Rot eine römische Ziffer gemalt, direkt unter dem Türspion. In Wohnung I herrschte Stille. Aus Nummer II drangen die Laute eines aufgezeichneten Monologs – der Fernseher lief.
Hinter Tür III im nächsten Stock ging gerade eine kleine Party zu Ende: Zigarrenrauch, mehrere Unterhaltungen und leise Musik. Stille in IV.
Auf Zehenspitzen stieg er die nächste Treppe hinauf.
Völlige Stille von rechts und links.
Er klopfte leise an die Tür von Wohnung V und lauschte. Kein Geräusch zu hören, also klopfte er noch einmal, etwas lauter.
Entweder sie schlief tief und fest, oder sie war nicht da.
Er machte sich an dem Schloss zu schaffen.
In dem schwachen Licht, das durch das schmutzige, von Staub und getrocknetem Regen starrende Fenster drang, war von dem Zimmer nicht viel zu erkennen. Es war heiß, die abgestandene Luft roch leicht chemisch, als wäre hier seit einer Weile nicht mehr gelüftet worden.
Es war niemand zu Hause. Das hatte er gewusst, sobald er die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte. Es fühlte sich vertraut an, ganz wie in seiner eigenen Wohnung, wenn er nach Hause kam: Das gleiche Gefühl von einem Vakuum, das man störte, als betrete man einen Hohlraum mit einem schwarzen Loch in der Mitte.
Er ließ den Lichtstrahl der Taschenlampe durchs Zimmer wandern. Der Raum wurde von einem Bücherregal beherrscht, das die gesamte linke Wand vom Boden bis zur Decke einnahm, sogar das Stück Wand oberhalb der nächsten Tür, wo noch zwei Regalbretter angebracht waren. Fast alle Bücher waren auf Spanisch. Geschichtsbücher, Biografien, Reiseerzählungen, Atlanten, Enzyklopädien, reichlich Politik, Castros Reden in gebundener Form. Daneben ein paar Romane, billige
Weitere Kostenlose Bücher