Todesritual: Thriller (German Edition)
–, aber zugleich fehlte es in auffälliger Weise an einem Verfahren, an Regeln: Sie war allein, hatte ihm keinen Ausweis gezeigt, hatte ihn nicht vor Ort verhört, keine Augenzeugen befragt. Es war, als hätte sie auf ihn gewartet, als hätte sie gewusst, dass er kommen würde. Und was war aus Teófilo geworden?
»Sie klingen, als hätten Sie da Ihre Zweifel«, sagte sie.
»Habe ich auch«, antwortete er. »Es ergibt keinen Sinn.«
»Sind Sie deshalb hier, um dem einen Sinn zu verleihen?«
»Ja. Das war der Plan, bis Sie aufgekreuzt sind.«
Sie warf ihm im Rückspiegel einen kurzen Blick zu. Sie hatte schöne, haselnussbraune Augen. Max spürte, wie sich ihm unwillkürlich ein Lächeln auf die Lippen schlich, und unterdrückte es sofort wieder. Wirklich unpassend.
»Kennen Sie Vanetta Brown?«, fragte er.
»Lassen Sie mich eines klarstellen«, entgegnete sie. »Ich frage, Sie antworten. Okay?«
»Klar.« Er nickte. »Übrigens, Sie sprechen sehr gut Englisch.«
»Sparen Sie sich Ihre Gönnerhaftigkeit.«
»Das war ein Kompliment.«
»Sparen Sie sich die Komplimente.« Sie wusste, was er im Schilde führte – eine Beziehung zu ihr aufbauen, damit sie ihre Schutzschilde sinken ließ –, und bremste ihn schon beim ersten Versuch aus.
»Meinetwegen.« Er zuckte mit den Schultern.
Sie fuhren durch einen Randbezirk, holperten über Straßen mit löchrigem Kopfsteinpflaster, wo die Bordsteinkanten in schmuckem Weiß getüncht waren und die protzigen postkolonialen Herrenhäuser ihre baufälligen Fassaden hinter Bäumen und wild wuchernden Büschen versteckten.
»Sie sind nicht der Erste, der hier aufkreuzt, um einen Black Panther zu treffen«, sagte sie. »Es gibt da eine regelrechte Pilgergemeinde: Journalisten, Groupies, naive Idealisten oder Angehörige der Menschen, die sie umgebracht haben.
Earl Gwenver nimmt sich ihrer an. Er arrangiert ein Treffen mit dem gewünschten Panther – gegen ein gewisses Entgelt, versteht sich. Die Hälfte ist sofort fällig, die zweite Hälfte bei Lieferung. Dann fährt er mit ihnen an irgendeinen abgelegenen Ort und bedroht sie, manchmal verprügelt er sie auch, und bringt sie dann zurück in ihr Hotel, wo er ihnen bis auf den Reisepass und die Flugtickets alles abnimmt. Wenn gerade nationaler Notstand herrscht, nimmt er auch schon mal das Toilettenpapier mit. Keines der Opfer schaltet jemals die Polizei ein. Das sind Amerikaner. Die dürfen gar nicht hier sein. Sie reisen einfach so schnell wie möglich wieder ab. Genau das Gleiche sollte mit Ihnen passieren. Warum war es nicht so?«
»Gwenver und ich sind gar nicht so weit gekommen, über Geld zu sprechen«, sagte Max.
»Haben Sie ihn verletzt?«
»Er wird’s überleben.«
»Schade.« Sie warf einen Blick nach hinten.
»Wer sind Sie?«, fragte er.
Bis zur Innenstadt war es nicht mehr weit. Der Verkehr wurde etwas dichter, die Straßen waren besser beleuchtet und enger bebaut. Überall waren Menschen. Max hörte Musik und Gesang. Im Vorbeifahren sah er eine Tanztruppe – ein halbes Dutzend Paare, die mit gefrorenem Lächeln und konzentriertem Blick den Mambo tanzten. Dabei wurden sie von Touristen fotografiert und gefilmt, die nachahmend ihre ungelenken Hüften und die Plattfüße bewegten, vom Rhythmus gefesselt wie von einem Schlangenbeschwörer, und die drei Jungs nicht bemerkten, die sich durch ihre Gruppe schlängelten und die flinken kleinen Finger in Hand- und Hosentaschen tauchten.
»Sie wurden vom Zeitpunkt Ihrer Ankunft an observiert«, sagte sie. »Das machen wir bei allen Amerikanern, aus naheliegenden Gründen. Am ersten Tag haben Sie von einer Prostituierten ein Telefonbuch gekauft. Sie haben ehemalige Black Panther angerufen und sich als Buchautor ausgegeben. So sind Sie auch in Gwenvers Orbit geraten. Jetzt sind Sie in meinem.«
»Was wollen Sie?«, fragte er.
»Bevor Sie zu einer Haftstrafe verurteilt wurden, hatten Sie sich auf die Suche nach Vermissten spezialisiert. Waren Sie gut?«
Das brachte ihn aus dem Konzept. Plötzlich kam er sich sehr klein vor, während seine Umgebung ihre Klauen zeigte. Die hatten ihn nicht nur observiert, die hatten recherchiert. Wie weit waren sie zurückgegangen? Und wie tief hatten sie gegraben? Allzu schwer konnte es nicht gewesen sein. Er war im Internet. Von dem Prozess 1989 war in den Nachrichten berichtet worden, Clips davon waren auf YouTube zu sehen. Aber was wussten sie noch?
»Ich konnte ganz gut davon leben«, sagte er mit möglichst
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