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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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er das Sofa umgeworfen und eine kostbare gläserne Anrichte voll Porzellan und Gläsern zertrümmert hatte. Überall lagen zerbrochene Gegenstände, und ein ekliger Gestank von Erbrochenem stieg von Sindri Snær auf.
    Erlendur versuchte, seinen Sohn aufzuwecken, aber das war hoffnungslos. Er hob ihn hoch, warf ihn sich über die Schulter, trug ihn auf diese Weise aus dem Haus und legte ihn auf den Rücksitz seines Autos. Erlendur war kräftig gebaut, und sein Sohn war eine leichte Last für ihn. Als er sich wieder aufrichtete, wanderte sein Blick an den Fenstern des Hauses entlang, und auf der Etage über Halldóras Wohnung glaubte er für einen kurzen Augenblick ihr Gesicht zu sehen, zumindest kam es ihm so vor. Er hatte sie bald zwanzig Jahre nicht getroffen, und es brauchte einige Zeit, bis ihm klar wurde, dass das Gesicht am Fenster zwar das gleiche war, das er vor all diesen Jahren gekannt hatte, aber trotzdem so ganz anders. Es konnte zwar auf Einbildung beruhen, aber wahrscheinlich stimmte es: Er sah nur kalten Hass, der durch das Fenster zu ihm herunterstarrte.
    Erlendur lieferte seinen Sohn in der Suchtklinik ab. Sindri Snær war dort bestens bekannt. Man ging davon aus, dass es sich um eine normale Alkoholvergiftung handelte, und versicherte Erlendur, dass der Junge bei ihnen in guter Obhut war. Ihm wurde gesagt, er könne in ein paar Tagen nach dem Jungen sehen. Man beabsichtigte nicht, ihn anschließend zu einer Entziehungskur auf dem Land zu schicken, das hatte man bereits zweimal versucht, ohne nennenswerten Erfolg. So eine Therapie koste viel Geld, hieß es, und der Junge habe absolut keine Anzeichen von Besserungswillen gezeigt.
     
    Der fünfte Tätowierer, den Elínborg und Þorkell an diesem Tag besuchten, konnte sich an das Mädchen erinnern. Der Tag war bereits fortgeschritten, und sie fühlten sich beide müde und waren es leid, sich mit Tätowierern zu befassen, die eine große Klappe hatten und keinerlei Interesse zeigten, der Kriminalpolizei in einem Mordfall behilflich zu sein. Trotzdem gaben sie nicht auf.
    Der fünfte arbeitete in dem Gewerbegebiet unweit der Ártúnsbrekka, und bei ihm sah es ebenso dunkel und schmutzig wie in einer Autowerkstatt aus. Elínborgs Interesse richtete sich zunächst vor allem auf die Wände mit äußerst freizügigen Fotos von nackten Mädchen, angesichts deren sich Þorkell offenbar für einen Augenblick vergaß. Elínborg musste ihn anstupsen, damit er wieder zu sich kam.
    »Geht’s um das Mädel, das abgekratzt ist?«, fragte der Tätowierer, ein massiver Mann um die dreißig mit nackten Oberarmen. Er trug eine Jeansweste und Lederhosen, das helle, lange Haar hatte er im Nacken zusammengebunden, und am Kinn baumelte ein Ziegenbart in derselben Farbe. Er hatte ein Gebiss im Mund, das aussah, als habe er es irgendwem geklaut, denn es war offensichtlich zu groß und klapperte. Auch an ihm war jedes Fleckchen sichtbarer Haut tätowiert. Genauso stellt man sich das Mitglied einer Motorradgang vor, dachte Elínborg. Weshalb dürfen diese Kerle ewig Kinder bleiben? Und was für eine Ausdrucksweise war das eigentlich: Geht’s um das Mädel, das abgekratzt ist? Wer redete so?
    »Hast du diese Tätowierung gemacht?«, fragte sie und nahm das Foto wieder entgegen.
    Der Hells-Angels-Typ erkannte seine Handschrift sofort wieder und grübelte lange, wer ihn um dieses J gebeten hatte. Endlich konnte er sich an den kleinen, hübschen Hintern erinnern.
    » Piece of cake, der Buchstabe!«, klapperte das Gebiss. »Sie kam vor ungefähr einem Jahr her und wollte so’n Tattoo mit diesem Buchstaben von mir verpasst bekommen. War das null in Ordnung?«
    » Nicht in Ordnung«, korrigierte Elínborg.
    »Die kam nich aus der City, sondern vom Land. Pflanzte sich da hin und war komplett stoned. « .
    »Weißt du, was dieses J zu bedeuten hatte?«, fragte Þorkell.
    »Bin ich Hellchecker? Die hat sich da hingehauen und geraunzt, ich soll ihr das J machen.«
    »Hellseher«, warf Elínborg ein, die sich nicht zurückhalten konnte.
    »Weißt du, wie sie hieß?«, fragte Þorkell.
    »Hat die nich gesagt. Und ich hab die nich gekannt. Hab die nie davor gesehen, und auch nich danach. Wenn ich zu Hause war, könnt sie vorbeikommen, wann sie wollte, hab ich ihr gesagt, um sie zu verarschen. Hab ich aber nie wiedergesehen. Die war voll ausgeklinkt.«
    »Inwiefern?«
    »Einfach zu, das sieht man doch gleich.«
    »War jemand bei ihr?«, fragte Elínborg.
    »Nein, aber ich meine, die hätte

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