Todesrosen
lebte zwar noch, aber er sah ihn nur selten. Seine einzige Schwester arbeitete in seinem Bauunternehmen. Seine Exfrau hatte ihn aus nicht bekannten Gründen verlassen. Kalmann hatte den Ruf eines Womanizers und machte sich keinerlei Mühe, seine Affären zu verheimlichen. Er kostete alles, was ihm der Reichtum an Annehmlichkeiten zu bieten hatte, in vollen Zügen aus. Wenn er Urlaub machte, fuhr er ins Ausland und kreuzte auf Segelyachten durch südliche Gewässer oder flog in Metropolen wie New York oder London und seit neuestem auch nach Hongkong, um seine Geschäftsbeziehungen in diesen Städten zu pflegen.
Zu Beginn seiner Laufbahn ahnte er wohl nicht, wie weit er es einmal im Wirtschaftsleben bringen würde. Manchmal dachte er darüber nach, wie einfach es gewesen war, zu Geld zu kommen, wenn man Betrügereien nicht scheute und unverfroren, rücksichtslos und aggressiv genug war. Er war früh zu der Erkenntnis gelangt, dass er zu diesen Methoden berechtigt war, um den Vorsprung wettzumachen, den Familienbesitz und Beziehungen den jungen, geschniegelten Yuppies aus reichen Familien verliehen, die ihre Tentakel überall drinhatten. Er begann mit zwei leeren Händen und verachtete Geschäftspartner, die nie einen Finger krumm gemacht hatten.
Kalmann und Herbert kannten sich bereits seit Ewigkeiten, doch das wusste kaum jemand. Herbert gehörte Kalmanns Vergangenheit an, über die nur wenig bekannt war, und dieses wenige war so entstellt durch Klatschgeschichten und Lügenmärchen, dass kaum zwischen wahr und erlogen zu unterscheiden war. Einige von diesen Geschichten hatte Kalmann selber in Umlauf gebracht. Herbert gehörte zu den wenigen Personen, die stets wussten, wie man sich aus heiklen Situationen herauslavieren konnte. Sie kannten sich seit ihrer Jugend. Herbert war immer der Retter in der Not gewesen. Falls Kalmann etwas brauchte, beschaffte Herbert es, so war es seit jeher. Beide profitierten davon, und zwischen ihnen entstand eine Art Freundschaft, obwohl weder Kalmann noch Herbert die Bedeutung dieses Wortes wirklich kannten. Wahrung gemeinsamer Interessen, das verstanden sie besser.
Die Ersten fuhren bei Kalmanns Haus vor. Das Meeting konnte beginnen, und die Männer nahmen in dem luxuriös ausgestatteten Salon Platz. Kalmann war frühmorgens aus den USA zurückgekehrt. Er hatte dort das, was zu erledigen war, hinter sich gebracht, verspürte aber anders als sonst keine Lust, seinen Aufenthalt noch etwas zu verlängern, sondern war mit der ersten Maschine nach Island zurückgeflogen. Dieses Meeting, auf dem richtungweisende Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden mussten, duldete keinen Aufschub.
Kalmann hatte die Teilnehmer an der Tür in Empfang genommen und sie in den Salon geführt. Fünf Geschäftsleute aus unterschiedlichen Branchen. Kalmann hatte sie selber ausgewählt, denn sein neuester Plan war verwegen, die Durchführung in gewissem Sinne illegal, und unmoralisch war das Vorhaben allemal. Bei diesen Männern konnte er sicher sein, dass ihnen solche Nebensächlichkeiten kein Kopfzerbrechen bereiteten. Die Idee war simpel und genial, und wie alle guten Pläne Kalmans drehte sich alles ausschließlich um den Profit.
Kalmann ging zu diesem Zeitpunkt aber auch noch sehr vieles andere durch den Kopf, und deswegen wirkte er während des Treffens leicht abwesend. Herbert war immer noch spurlos verschwunden, und Kalmann konnte nur hoffen, dass er nicht mehr unter den Lebenden weilte. Er war sich darüber im Klaren, dass er sich viel zu lange auf diesen Idioten mit seinem amerikanischen Spleen verlassen hatte, und jetzt, wo Herbert verschwunden war, kam Kalmann die Befürchtung, dass er womöglich angefangen hatte, gegen ihn zu arbeiten. Herbert war der einzige Mensch, der ihn mit dem in Verbindung bringen konnte, was er seine Jugendsünden nannte. Noch schlimmer war es, dass er das Verbindungsglied zu Birta war.
Den Medien und somit der Öffentlichkeit war vorenthalten worden, auf welche Weise Herbert verschwunden war. Kalmann besaß jedoch gute Kontakte innerhalb der Polizei und wusste, dass Herbert in seinem Haus gekidnappt worden war. Er konnte sich natürlich nicht in die Fahndung einklinken, denn offiziell bestanden gar keine Kontakte zwischen ihm und Herbert, und die durfte es nach außen hin auch niemals geben. Deswegen blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis Herbert tot oder lebendig wieder auftauchen würde. Ersteres wäre besser.
Als sie sich als Jugendliche
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