Todesrosen
bis weit ins dritte Jahrtausend hinein bauen. Er hat die Bewilligung für das Grafarholt-Viertel, das Borgarholt-Viertel und Geldinganes ebenso wie für das Hamrahlíð-Land da vorne. In Borgarholt wird ein Einkaufszentrum entstehen, das doppelt so groß werden soll wie die Kringla. Kalmann sitzt im Vorstand des Planungsausschusses, und ihm gehört der größte Anteil an der Holding-Gesellschaft. Du kennst das ja aus den Nachrichten.«
»Aber was können wir daraus schließen?«
»Erinnerst du dich, was Birta dieser Charlotte erzählt hat?«
»Ja, wer soll denn in all diese Häuser einziehen? War das nicht so? Wer soll all diese Häuser bevölkern?«
»Merkwürdige Überlegungen für eine Drogensüchtige, die auf den Strich ging, findest du nicht?«
»Ja, das kann man wohl sagen. Worauf willst du hinaus?«
»Wer nimmt das schon ernst, was so ein Junkie an dummem Zeug daherredet. Die Sache ist bloß die, dass meiner Meinung nach ihre Fragen eigentlich überflüssig waren.«
»Wieso?«
»Ich glaube, sie wusste die Antwort.«
»Und?«
»Deswegen musste sie sterben.«
Siebenundzwanzig
Im Telefonbuch standen an die zwanzig Frauen, die Guðrún Þorsteinsdóttir hießen, aber die Mitarbeiter der Kriminalpolizei hatten die Mutter von Janus schnell unter ihnen herausgefunden. Sie war Hausfrau und nicht berufstätig. Sie wunderte sich sehr über den Anruf der Kriminalpolizei. Erlendur und Sigurður Óli machten sich auf den Weg zu ihr, nachdem sie aus dem Neubauviertel zurückgekehrt waren. Janus’ Mutter lebte immer noch in derselben Wohnung an der Háaleitisbraut, in die sie seinerzeit mit Janus eingezogen war, als sie nach Reykjavík kamen.
Sie war auf den Treppenabsatz im dritten Stock hinausgetreten, um Erlendur und Sigurður Óli in Empfang zu nehmen. Erlendur als Raucher brauchte für die Treppe etwas länger als Sigurður Óli, der sie mühelos im Eilschritt nahm und oben auf seinen Kollegen warten musste. Guðrún war eine mollige Frau um die fünfzig und hatte helles, dichtes Haar. Ein rosa Pullover spannte sich über ihrem großen Busen, und die Nähte an ihrer Jeans schienen platzen zu wollen. Sie zündete sich während ihres Gesprächs eine Zigarette nach der anderen an. An einem Auge waren deutliche Spuren eines verblassenden Veilchens zu erkennen, und sie hatte eine Schnittwunde oberhalb des Nasenbeins. Sie war sehr darum bemüht, ihnen zu erklären, was es damit auf sich hatte, angeblich hatte sie eine feuerfeste Form oben aus dem Schrank holen wollen, und die war ihr aus der Hand geglitten und hatte sie im Gesicht getroffen. Nach dieser Information inhalierte sie tief und drückte ihre Zigarette aus. In der Wohnung hing ein schwacher Alkoholgeruch. Das Bild von ihrem Sohn in der Zeitung hatte sie nicht gesehen.
»Weshalb wollt ihr mit mir über Janus sprechen?«, fragte sie. »Hat er sich in Schwierigkeiten gebracht? Das ist gar nicht seine Art.«
»Nein, nichts dergleichen. Es geht nur darum, ob er ein Mädchen namens Birta kannte und wo wir ihn finden können«, sagte Erlendur und betrachtete durch das Wohnzimmerfenster den dichten Verkehr auf der Miklabraut.
»Birta. Ich kann mich an ein Mädchen in den Westfjorden erinnern, das Birta hieß. Meint ihr die?«
»Sie haben sich gekannt, bevor ihr nach Reykjavík gezogen seid«, sagte Sigurður Óli.
»Ich kann mich gut an Birta erinnern. Sie hat meinem Janus sehr geholfen.«
»Das wurde uns auch berichtet«, warf Erlendur ein.
»Janus war ein ganz normales Kind, er wurde aber viel gehänselt und war ein Außenseiter. Ziemlich einsam und verschlossen war er, der gute Junge. Birta hat aber immer zu ihm gehalten. Und wenn die Schulkameraden ihn ärgerten, hat sie ihnen ordentlich Bescheid gesagt.«
»Weißt du, ob die Verbindung zwischen ihnen bestehen blieb, nachdem ihr nach Reykjavík gezogen seid?«
»Nein, ich glaube nicht. Soweit ich weiß, ist die Verbindung zwischen ihnen völlig abgebrochen.«
»Wie lang ist es her, seit du zuletzt von Janus gehört hast?«
»Es ist eine Weile her«, sagte Guðrún und zündete sich eine neue Zigarette an. »Er ist sehr früh von zu Hause ausgezogen«, sagte sie und strich sich vorsichtig über das blaue Auge. »Nach der Schulzeit hat er sofort angefangen zu arbeiten, er wollte auf eigenen Beinen stehen. Er hat im Schlachthof gearbeitet, bis die den ganzen Betrieb nach Hvolsvöllur verlegten. Danach hat er im Hagkaup-Supermarkt angefangen, da war er im Lager beschäftigt, aber dort hat er es
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