Todesrosen
Nachrichten hatte, wusste er nicht ganz genau, um wen es sich handelte. Die Aufzeichnungen gingen bis 1992 zurück. Das erste Zusammentreffen zwischen Kalmann und Birta hatte vor dreieinhalb Jahren stattgefunden. ›Sommerhaus‹, stand in Herberts Kladde, ›Wochenende 12.–14. April‹. Birtas Name stand an erster Stelle, dann ein Mädchen namens Auður und schließlich der Jungenname Jóel. Birta hatte manchmal diesen Jóel erwähnt. Birtas Name war noch an anderen Stellen zu finden, mit verschiedenen anderen Namen und an unterschiedlichen Treffpunkten.
Janus zog die Schublade ganz hinaus und richtete Herbert auf. Als er auf die Beine kam, dauerte es geraume Zeit, bis die Durchblutung wieder normal funktionierte. Er sah fast nichts und schwankte hin und her, da er immer noch an Händen und Füßen gefesselt war. Janus stellte sich so ungeschickt an, als er ihn aufrichtete, dass Herbert sich losreißen konnte. Dabei stürzte er jedoch und prallte mit dem Kopf so hart gegen einen Holzstapel, dass er eine Platzwunde davontrug, aus der es heftig blutete.
Herbert cholerisches Temperament war durch das Eingesperrtsein in der Räucherlade nicht gemildert worden, und jetzt brach die Wut unkontrolliert und hemmungslos aus ihm heraus. Dank seines eisernen Willens hatte er da unten in der Lade an sich gehalten und klar zu denken versucht. An die Unterlagen würde er schon wieder herankommen, wenn er erst einmal wieder frei war, aber die Demütigung und die Schande waren etwas, das er nicht hinnehmen konnte. Niemals! Never! Herbert Rothstein ließ sich so etwas von einem verdammten Jüngelchen nicht bieten! Er hatte sich krampfhaft bemüht, das Arschloch bei Laune zu halten, aber jetzt war das Maß mehr als gestrichen voll. Er war überzeugt, dass Janus ihn absichtlich gestoßen hatte, und verlor gänzlich die Kontrolle über sich. Er wusste, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war. Er wusste, dass die Freiheit winkte. Trotzdem verlor er die Beherrschung.
»Du verfluchtes, dreckiges Arschloch, du elende Sau!«, brüllte er. »Ich bring dich um, du verdammtes Arschloch, ich massakrier dich, du Drecksau! Ist mir scheißegal, dass deine dämliche Schnepfe krepiert ist, ich bin froh, dass sie verreckt ist, diese verdammte Nutte. Die hat doch alles für Kohle gemacht. Weißt du, was ich meine? Hörst du mir überhaupt zu? Raffst du das, du Drecksau? He, wo bist du denn, du Arschloch? Diese verfluchte Schlampe war ein dreckiges Miststück, die alles für ihren Herbie gemacht hat und Herbie mit Haut und Haar verfallen war! Ich weiß ganz genau, dass du nie mit ihrer Fotze in Berührung gekommen bist, du hässlicher Affe!«
Janus richtete Herbert auf, als sei er federleicht, und schleuderte ihn mit dem Kopf gegen die Wand. Herbert ging wieder zu Boden und verspürte einen stechenden Schmerz, als das Nasenbein brach und das Blut herausspritzte. Er war besinnunglos vor Wut und hörte nicht auf, Schmähungen gegen Birta auszustoßen. Das Blut, das aus der Wunde an der Stirn floss, hatte die Augenbinde durchtränkt. Er bemerkte nicht, dass Janus den Raum verlassen hatte, und vor lauter Brüllerei hörte er nicht die Geräusche, die Janus verursachte. Die Aluminiumgestänge schlugen gegeneinander, die Tür zur Räucherkammer öffnete sich, die Räder an den rostigen Laufschienen unter der Decke quietschten, wieder klapperten die Stangen, ein eiserner Tisch wurde über den Fußboden gezogen, und endlich tauchte Janus wieder im Hinterzimmer auf. Herbert überschüttete ihn mit Verwünschungen, doch Janus schenkte dem keinerlei Beachtung.
Er wuchtete Herbert hoch und trug ihn zu dem Gestänge, kletterte auf den Eisentisch und zog Herbert ebenfalls hinauf. Der Ofenrost hing von der Decke herunter und reichte bis an die Stelle, wohin Janus den Tisch gerückt hatte. Er band Herbert sorgfältig an dem Gestänge fest, schob es dann in den Ofen zurück und knallte die Tür hinter sich zu.
Herbert hing am Gitter festgebunden von der Decke herunter, er schwang damit wild hin und her und stieß immer noch Verwünschungen aus. Die Flüche hallten in dem Ofen wider, als die schwere Stahltür zufiel, und zum Schluss hörte Janus ihn brüllen:
»… SO FUCK THE REST OF THE WORLD!!«
Dreißig
»Alles in Ordnung mit dir, Erlendur?«
Sie saßen zu viert im Büro des Polizeipräsidenten, und der hatte bemerkt, dass Erlendur völlig abwesend war und sich kaum am Gespräch beteiligte. Elínborg warf Erlendur einen forschenden Blick zu. Sie allein
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