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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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den Westfjorden gewesen, aber es kann natürlich sein, dass sie hier in Reykjavík Leute von dort getroffen hat, die dann solche Vermutungen ihr gegenüber äußerten und die Birta wiederrum an Charlotte weitergegeben hat. Sie könnte sie aber auch von anderer Seite gehört und sich selbst darüber den Kopf zerbrochen haben, obwohl es seltsam anmutet, dass eine Drogenabhängige wie sie sich Gedanken über die Bauwut in Reykjavík macht. Findet ihr nicht, dass das alles ziemlich seltsam klingt? Wieso zum Kuckuck interessiert sich ein Junkie für den Boom im Wohnungsbau? Und inwieweit kann man so was ernst nehmen?«
    »Worauf willst du eigentlich hinaus, Erlendur?«, fragte der Polizeipräsident.
    »Ich weiß es nicht, das ist es ja. Ich habe mir die ganze Nacht den Kopf darüber zerbrochen, aber ich komme zu keinem Ergebnis. Ich bin mir aber sicher, dass Birta ermordet worden ist, weil sie etwas wusste, was sie nicht wissen durfte. Sie erfuhr etwas, was sie nicht erfahren durfte. Sie hatte Kenntnis von etwas, wovon sie keine Kenntnis haben sollte und durfte. Deswegen wurde sie ermordet, sie wurde zum Schweigen gebracht. Das sagt mir mein Gefühl, ich kann es aber mit nichts untermauern, es sei denn damit, dass Kalmann der größte und umtriebigste Bauunternehmer im Großraum Reykjavík ist. Er baut all diese Häuser, von denen Birta nicht wusste, wer sie beziehen sollte. Außerdem hat er durch seine Reederei in Reykjavík Quoten aus den Westfjorden in großem Stil aufkaufen lassen. Birta hat irgendetwas im Zusammenhang mit diesem Mann herausgefunden, etwas, was nicht bekannt werden durfte. Häuser und Quoten. Quoten und Häuser. Irgendetwas ist daran faul.«
    Nachdem Erlendur geendet hatte, saßen alle schweigend da und dachten über das Gesagte nach. Sie schraken auf, als der Chef der Spurensicherung anklopfte und das Zimmer betrat.
    »Die vom Telefonamt haben sich endlich gemeldet«, sagte er. »Unser Antrag war irgendwo in deren System stecken geblieben, aber jetzt haben sie sich endlich um die Sache gekümmert. Das Gespräch aus der Telefonzelle vor dem Telefonamt ging an das Mobiltelefon eines gewissen Kalmann, der sich in New York befand.«
    Alle schauten Erlendur an, der erst einmal eine ganze Weile schweigend dasaß. Er betrachtete alle der Reihe nach, als sei er sich nicht sicher, ob er weitermachen sollte oder ob es fürs Erste reichte. Alle Blicke waren aber weiterhin auf ihn gerichtet. Der Polizeipräsident räusperte sich.
    »Eins habe ich euch noch nicht gesagt«, erklärte Erlendur. »Ich habe bei meinen Verwandten in Eskifjörður angerufen. Die Reederei Viðey, die Kalmann gehört, hat in den letzten zwei Jahren auch Quoten in den Ostfjorden aufgekauft.«

Einunddreißig
    Janus hatte zwar auch früher manchmal an den Augenblick zurückgedacht, als er im Laderaum des Schiffs gestorben war, aber nie so häufig wie in den Wochen und Monaten, nachdem er erfahren hatte, wie es um Birta stand. Früher war er nachts aus dem Schlaf hochgeschreckt und hatte nach Atem gerungen, wenn er das Gefühl des Erstickens in nicht enden wollenden Albträumen immer wieder durchlebte.
    An dem Tag damals waren Birta und er zum Kiosk gegangen, um sich einen Videofilm auszuleihen und Süßigkeiten zu kaufen. Dort trafen sie auf ein paar Jungen aus der Schule, die sich einen Spaß daraus machten, Janus nach Kräften zu piesacken. Die Clique hatte vor dem Kiosk herumgelümmelt, und kaum waren Janus und Birta um die Ecke gebogen, fingen sie beim Anblick von Janus sofort an zu johlen. Er näherte sich ihnen zögernd, blieb dann stehen und sah die Jungen an, trat einen Schritt zurück, dann noch einen, langsam und ruhig. Janus erfasste intuitiv die aggressive Stimmung in der Bande, er wusste, dass sie zu allem fähig waren, und spürte am ganzen Körper, dass er sich in Gefahr befand. Ihm war kalt, und seine Knie wurden unwillkürlich weich. Daher blieb er erst stehen und wich dann ein wenig zurück. Birta war schon im Kiosk, weil sie sein Zögern nicht bemerkt hatte. Der Bande entging seine Unsicherheit jedoch nicht, es gab ihnen nur noch mehr Auftrieb. Die Tatsache, dass Janus zurückwich und schließlich die Beine in die Hand nahm und um die Ecke rannte, steigerte nur noch den Jagdtrieb in ihnen, und sie nahmen sofort die Verfolgung auf.
    Als Birta die Jungen verschwinden sah, begriff sie, was da los war. Sie sauste aus dem Kiosk, rannte am Haus entlang und um die Ecke, wo sie sah, dass die johlende Meute bereits die nächste

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