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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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schon seit geraumer Zeit beschäftigten, in Worte zu fassen versuchte, »dass Birtas Tod auf eine andere und wichtigere Weise etwas mit den Westfjorden zu tun hat als nur aufgrund der Tatsache, dass sie von dort stammt. Dass sie auf das Grab von Jón Sigurðsson gelegt wurde, enthält eine deutliche Botschaft. Wir sind von Anfang an davon ausgegangen, dass der Mörder oder der, der sie dorthin gebracht hat – es muss sich nicht zwangsläufig um dieselbe Person handeln –, etwas damit sagen wollte. Das war der Leitgedanke bei unseren Ermittlungen. Ich bin überzeugt, dass derjenige uns noch etwas mehr und wesentlich Bedeutenderes sagen wollte als nur, dass das Mädchen aus den Westfjorden stammt. Meiner Meinung nach hat er darauf hinweisen wollen, dass dort die Antworten auf weitere Fragen zu finden sind, von denen wir nicht wissen, wie sie lauten, vielleicht haben sie auch nicht direkt etwas mit diesem Fall zu tun, aber ich habe angefangen, mir darüber Gedanken zu machen. Als Sigurður Óli und ich dort unterwegs waren und mit den Menschen in diesen Fischerdörfern gesprochen haben, hörten wir ständig das Gleiche: Überall sind die Quoten aufgekauft worden, die Leute aus den Westfjorden wandern wie nie zuvor nach Reykjavík ab. Aber in einigen Orten, in denen es früher eine nahezu klassenlose Gesellschaft gab, gibt es jetzt sehr reiche Menschen. Einigen fallen Millionen und Abermillionen in die Hände, während andere leer ausgehen. Im Westen sind die Leute stinksauer auf die Regierung, die so etwas zulässt, ohne einzugreifen. Man ist sauer auf diejenigen, die Schiffe mit Quoten aus der Region verkauft haben, und auf die, die mit Fangquoten spekulieren und nie selber zur See gefahren sind. Von allen Landesteilen sind die Westfjorde am schlimmsten von dieser Entwicklung betroffen. Selbstverständlich haben noch andere Faktoren dazu geführt, dass die Bevölkerung aus dieser Gegend abwandert, Konkurse, Rezession und auch die Abgeschiedenheit, mit der sich die Leute vielleicht nicht mehr abfinden wollen. Ich bin aber der Meinung, dass derjenige, der das Mädchen auf dem Grab von Jón Sigurðsson platziert hat, es irgendwie verdächtig findet, was für Auswirkungen die Spekulation mit Quoten in den Westfjorden gehabt hat. Ich glaube, er wollte unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, und vielleicht nicht nur unsere, sondern die der ganzen Nation.«
    »Was meinst du damit, ›verdächtig‹?«, fragte der Polizeipräsident. »Was willst du eigentlich damit sagen?«
    Da Erlendur sich weder mit Elínborg noch mit Sigurður Óli über diesen seinen Verdacht ausgetauscht hatte, starrten die beiden ihren Kollegen jetzt mit offenem Mund an. Sigurður Óli war sich nicht sicher, worauf Erlendur hinauswollte, auch wenn ihm einiges von dem, was er sagte, bekannt vorkam.
    Erlendur zündete sich eine Zigarette an, bevor er fortfuhr. Die Mitternachtssonne hatte ihn fast die ganze Nacht wach gehalten, sodass seine Gedanken wieder und wieder um den Mord an Birta gekreist waren. Er suchte nach einem Aspekt, der das Mädchen Birta, Herbert, Jón Sigurðsson, Kalmann, die Westfjorde, Janus, den Blechkasten, Drogen und Bauunternehmertätigkeit, Vergangenheit und Gegenwart miteinander verband, und langsam, aber sicher hatte sich eine Theorie herauskristallisiert, die vielleicht zu absurd war, um wahr zu sein, doch es war das Einzige, was ihm bisher dazu eingefallen war.
    »Bislang habe ich dafür noch keinerlei Beweise, es handelt sich nur um ein Gefühl, das sich während unserer Reise durch die Westfjorde verstärkt hat. Intensiver habe ich mich erst damit befasst, als Kalmanns Name ins Spiel kam. Elínborg erfuhr von dieser Charlotte, die mit Birta befreundet war, dass Birta irgendwas darüber gesagt hat, wer in all diesen Häusern wohnen sollte, oder so etwas Ähnliches. Das ist so ungefähr das Einzige, was wir über dieses Mädchen Birta wissen. Charlotte hat ausgesagt, dass sie zu einem Mann ging, der viele Häuser besitzt – und damit hat sie vermutlich Häuser hier in Reykjavík oder Kópavogur gemeint, in den neuen Vierteln, wo auch riesige Einkaufszentren entstehen sollen. Diese Worte sind sicher aus irgendeinem Zusammenhang gerissen, sie stammen aus dem Munde einer Rauschgiftsüchtigen, man weiß nicht, was sie zu bedeuten haben. Das wüssten wir vermutlich immer noch nicht, wenn Sigurður Óli nicht zufällig von einem Hotelbesitzer in den Westfjorden genau dasselbe gehört hätte. Birta ist mindestens zwei Jahre nicht in

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