TODESSAAT
Stein in einen dunklen Teich wirft – bis der Necroscope plötzlich auf etwas stieß, womit er nicht gerechnet hatte!
Er streifte flüchtig die Gedanken eines Mannes – nein, sie waren zu zweit – und wusste sofort, dass keiner der beiden Johnny Found war. Zum einen befanden sie sich nicht im Haus, und zum andern ... hatten sie ihn bereits im Visier! Ihn, Harry Keogh!
Voll düsterer Ahnungen holte Harry tief Luft und stieß sie zischend wieder aus. Er kämpfte gegen das Bedürfnis an, sich zu ducken – es würde ihnen nur verraten, dass er sie bemerkt hatte – und blickte unbeteiligt die dunkle Seitenstraße entlang. Das Dezernat? Nein, er nahm keine besonderen Kräfte wahr, kein Talent, keine übersinnlichen Fähigkeiten. Wer oder was waren sie also? Und wo steckten sie?
In der engen Straße glomm die Glut einer Zigarette auf. Da rauchte jemand. Jemand, der sich genau wie der Necroscope im Schatten hielt. Dafür stand gegenüber, auf der anderen Seite der Durchgangsstraße, eine Gestalt in einem dunklen Herbstmantel unter einer Laterne, die Hände unschlüssig in den Taschen. Der Mann ging auf und ab und machte ganz den Eindruck, als sei er von jemandem versetzt worden und warte noch immer – ein Manöver, um die Aufmerksamkeit von dem Mann im Schatten abzulenken.
Beide fragten sich, was Harry wohl hier zu suchen hatte. Da sie nichts ahnten, schnappte er Bruchstücke ihrer Gedanken auf.
Hier wohnt doch dieser Found, dachte der Mann unter der Laterne. Und wer ist jetzt dieses Arschloch? ... Immer die Straße rauf und runter, schleicht rum wie eine Katze um den heißen Brei ... Vielleicht der Kerl, nach dem wir die Augen aufhalten sollen? ... Wenn er auftaucht, sollen wir ihn nicht anrühren, haben sie gesagt. Aber was soll’s! ... Eine Sprosse höher auf der guten alten Leiter ... Beförderung zum Inspektor?
Der andere im Schatten – nur trat er jetzt aus dem Schatten heraus und steuerte direkt auf Harry zu – dachte: Gefährlich soll er sein ... Na gut, soll er’s versuchen. Wenn ich gezwungen werde, in Notwehr zu handeln ... dem blase ich seinen Scheißkopf weg! Harry spürte förmlich, wie sich die Hand des Mannes nervös um die gummierten Griffschalen der Pistole in seiner Manteltasche schloss.
Während der Mann mit der Waffe sich ihm beinahe sorglos näherte, straffte der andere sich, nahm die Hände aus den Taschen und kam über die Straße auf Harry zu. Sie nahmen ihn ganz unauffällig, ohne Hast (dafür mit Herzklopfen und Augen, denen nichts entging) in die Zange.
Harry blickte ihnen finster entgegen und stellte überrascht fest, dass er knurrte. Ein Strom aus Lava schoss durch seine Adern, entzündete etwas in ihm, das hell aufloderte und ihm von Schlachten und vergossenem Blut flüsterte, dunklem, rotem Blut, von Leben und Tod! Wamphyri!
Seine menschliche Seite dagegen sagte: »Nein! Es sind keine Feinde! Bedenke doch, als du noch ein Mensch warst, hätten sie sogar deine Freunde werden können. Warum ihnen wehtun, wenn du ihnen so einfach entkommen kannst?«
Weil es nicht meine Art ist, zu fliehen, sondern standzuhalten und zu kämpfen!
»Kämpfen? Das ist ja ein toller Kampf! Sie benehmen sich doch wie Kinder ...«
Tatsächlich? Na ja, zumindest eins dieser Kinder hat eine Waffe!
Der Mann, der die Straße überquerte, wartete, bis die Harry zunächst gelegene Spur frei war; er war höchstens noch zehn bis fünfzehn Schritte entfernt. Der andere war vielleicht zwanzig Schritte weit weg. Doch beide hielten eindeutig auf Harry zu. Sein Vampir erkannte die Gefahr nicht weniger als er und setzte alles daran, ihn zu schützen. Der Necroscope spürte einen sonderbar kalten Schweiß auf der Haut und atmete einen merkwürdigen Dunst aus, der ihn immer dichter umhüllte. Als die beiden Polizisten näher kamen, kroch der Nebel aus den Schatten hervor, in denen Harry sich verborgen hielt, und quoll ihnen entgegen, als habee jemand die Tür zu einer Waschküche geöffnet.
Jetzt nützen ihnen ihre Waffen nichts mehr. Sie können mich nicht mehr sehen. Dafür kann ich sie sehen, riechen, fühlen. Wenn ich will, brauche ich nur die Hand auszustrecken, um nach ihnen zu greifen. Sie zu packen und zu zerquetschen!
»Zur Hölle mit dir!«, fluchte Harry laut vor sich hin – über sich selbst beziehungsweise das Wesen, das er in sich trug. » Fahr zur Hölle, du dreckiger, schleimiger Bastard!«
»So ist’s recht, Kumpel, nimm bloß kein Blatt vor den Mund«, erwiderte einer der Polizisten,
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