TODESSAAT
gegangen sein? Und warum? Aus welchem Grund? Oder hatte sie einfach Trevors Rat befolgt und ihn verlassen?
Er ließ sich von seinem Vampirgespür leiten, sandte seine Gedanken wie kleine, sich konzentrisch auf der Oberfläche eines Tümpel ausbreitende Wellen in die Nacht hinaus, um nach Penny zu suchen ... und stieß auf jemand anderen! ESPer! Schon wieder!
Er sandte ein Knurren in ihre Gedanken und spürte, wie schlagartig die Läden heruntergingen und krampfhaft alles dichtgemacht wurde. Sie waren in der Nähe, allerdings nicht zu nah. Wahrscheinlich in irgendeinem Haus in Bonnyrigg, wo sie ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatten. Harry ließ sie links liegen, versuchte weiter entfernt sein Glück und traf auf eine mentale Abschirmung, die in seinem Kopf zischte, als würde jemand darin Schinken brutzeln. Das E-Dezernat! Sie störten seine telepathischen Signale.
Ihr verfluchten Gedankenschnüffler!, schimpfte er. Ich sollte rauskommen und euch alle einzeln zur Hölle schicken. Und ich werde euch etwas mitgeben, um sicherzugehen, dass ihr auch dort ankommt, etwas, damit ihr in alle Ewigkeiten Albträume habt!
Das hätte er tun können, wenn er gewollt hätte, denn er trug die Seuche in sich. Ebendies – eine Vampirplage – könnte sein Vermächtnis für eine Welt und eine Spezies werden, die ihn im Stich gelassen hatte.
Physisch war sein Vampir noch nicht weit genug entwickelt, noch unreif. Doch sein Blut war auch Harrys Blut, und sein Biss war mit Sicherheit ansteckend. Außerdem standen ihm die unermesslichen Weiten des Möbius-Kontinuums zur Verfügung. Auf jedem Kontinent der Erde konnte er Vampire säen, wenn er das wünschte. Und vielleicht würden sie sich dann wünschen, sie hätten ihn, verdammt noch mal, in Ruhe gelassen!
Er stürzte hinaus in den Garten unter die Sterne und den Mond, der inzwischen aufgegangen war. Es war Nacht, seine Zeit. Ahhh, seine Zeit! Vielleicht auf mehr als nur eine Art. Diese ESPer waren aus einem bestimmten Grund hier. Möglicherweise waren sie bereits unterwegs zu ihm, unsichtbar unter ihrem Schirm aus statischem Rauschen.
»Kommt nur, kommt!«, höhnte er. »Seht euch ruhig an, was euch erwartet!«
Am unteren Ende des Gartens schob jemand knarrend die Pforte auf. »Harry?« Penny trat in sein Blickfeld und kam den Pfad entlang auf ihn zu.
»Penny?« Er streckte die Arme nach ihr aus, zugleich tasteten seine Gedanken sie ab. Doch ihre Gedanken blieben ein verschwommener Fleck – oder vielmehr ein Nebelschleier, hinter dem sich ihr Bewusstsein verbarg, ohne dass sie überhaupt eine Ahnung davon hatte. Gedankensmog!
Harrys Hoffnungen waren mit einem Schlag zunichte gemacht. Doch er durfte es ihr nicht zeigen. Sie war jetzt eine Vampirin, beziehungsweise würde bald eine sein, und nun war sie ihm hörig. Es war keine Schwärmerei mehr. Er fragte sich, ob es das überhaupt jemals gewesen war. Immerhin hatte er sie von den Toten zurückgeholt.
»Was hast du da draußen im Dunkeln gemacht? Ich habe dir doch gesagt, dass du warten sollst.«
»Die Nacht war so schön, und ich musste nachdenken, genau wie du.« Sie ließ sich in seine Arme sinken.
»Worüber hast du denn nachgedacht?« Die Nacht hat dich gelockt. Du hast zum ersten Mal das Feuer in deinen Adern gespürt. Und morgen wird dir die Sonne in den Augen wehtun und auf der Haut brennen.
»Ich habe mir Gedanken darüber gemacht ... ob du auch wirklich vorhast, mich mitzunehmen. Vielleicht willst du das ja gar nicht.«
»Da irrst du dich. Ich werde nicht ohne dich gehen.« Ich muss dich mitnehmen, denn dich in dieser Welt zurückzulassen, würde dein Todesurteil bedeuten.
»Aber du liebst mich doch nicht.«
»Aber ja doch«, log er. Es spielt ja sowieso keine Rolle, schließlich wirst du mich auch nicht lieben. Aber wir werden trotzdem unser Vergnügen haben.
»Harry, ich habe Angst!«
Leider zu spät! »Ich will dich jetzt nicht allein hier lassen«, sagte er ihr. »Du kommst besser mit mir.«
»Wohin denn?«
Er nahm sie mit ins Haus, rannte durch alle Zimmer und machte überall Licht. Dann kehrte er sofort wieder zu ihr zurück. Er zeigte ihr Johnnys Messer, auf dem ihr Name stand. Sie rang um Atem und wich vor ihm zurück. »Kannst du ihn dir vorstellen?«, fragte er sie. Seine Stimme klang düster wie eine Winternacht. »Kannst du ihn dir vorstellen, wie er das hier betrachtet und sich an deine Schmerzen und seine Lust erinnert?«
Ihr schauderte. »Ich ... ich dachte, ich hätte es überwunden. Ich
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