TODESSAAT
Lagebericht. Er schloss mit den Worten: Er befindet sich in einem Schlafwagen, der bis London durchfährt.
Vielleicht auch nicht, erwiderte sie. Es hängt davon ab, wie die Dinge sich entwickeln. Der Minister jedenfalls meint, wir könnten sie jetzt sehr bald alle drei auf einen Schlag erledigen.
Was? Scanlon war sichtlich betroffen, zugleich entsetzt, dass er und sein Kollege jeden Augenblick den Befehl erhalten konnten, einen Mann zu töten – noch dazu einen ehemaligen Freund.
Die Cleary bekam das mit. Mag ja sein, dass er mal Ihr Freund war, aber jetzt ist er ein Vampir. Einen Moment später sagte sie: Der Minister möchte wissen, ob es ein Problem gibt.
Es gab keins, bis auf eine Kleinigkeit: Ich meine, wir sitzen hier in einem Zug, wissen Sie? Wir können ihn doch schlecht in dem verdammten Zug abfackeln!
Der Zug wird in Darlington halten. Wir haben bereits Agenten vor Ort. Halten Sie sich also bereit. Kann sein, dass Sie dort aussteigen und Trevor ... äh, Jordan mitnehmen müssen. Das war’s fürs Erste. Sie hören später wieder von uns.
Scanlon gab die Nachricht weiter an seinen Begleiter, den Lokalisierer Alan Kellway, der noch nicht so lange beim Dezernat war. »Ich habe Jordan nicht so gut gekannt«, meinte Kellway. »In dieser Richtung habe ich also keine Probleme. Alles, was ich weiß, ist, dass er tot war und jetzt wieder am Leben ist – eine Art Leben jedenfalls – und dass das wider die Natur ist. Wir stellen also nur die natürliche Ordnung der Dinge wieder her.«
»Aber ich habe ihn gekannt.« Scanlon sank in seinem Sitz zusammen. »Er war mein Freund. Es kommt mir wie ein Mord vor!«
»Ein Pyrrhussieg, sicher.« Kellway sah es auf seine Weise. »Aber ist es das wirklich? Du darfst nicht vergessen: Harry Keogh, Jordan und Konsorten ... sie wären in der Lage, die ganze Welt auszurotten!«
»Ja«, nickte Scanlon. »Das sage ich mir auch immer wieder. Genau das muss ich mir andauernd vorbeten.«
Im Möbius-Kontinuum wirkte Johnny Founds fürchterliches Messer wie ein Magnet. Es wies in Founds Richtung – oder vielmehr Harrys Talent zu lokalisieren richtete das Messer aus, und er folgte ihm einfach.
Penny klammerte sich mit geschlossenen Augen an Harry fest. Einmal hatte sie sie kurz geöffnet, und das hatte ihr auch schon gereicht. Die Dunkelheit des Möbius-Kontinuums schien greifbar. Das lag daran, dass es hier keine Materie gab, noch nicht einmal Zeit existierte hier. Wo jedoch NICHTS ist, haben selbst Gedanken Gewicht.
Das ist Zauberei, flüsterte sie, ebenso gut zu sich selbst gewandt wie an jeden anderen sonst. Nein , entgegnete der Necroscope, aber es ist verzeihlich, dass du das denkst. Immerhin hat sogar Pythagoras das geglaubt. In diesem Augenblick spürte Harry, der sich im Möbius-Kontinuum bestens auskannte, wie sie langsam zum Stillstand kamen, und ihm war klar, dass er Found gefunden hatte.
Er formte ein Möbiustor, warf einen Blick hindurch und sah eine Hecke, die parallel zum langen Band einer Straße verlief, die sich wie mit dem Lineal gezogen in die Ferne erstreckte. Autos donnerten über den Asphalt. Ihre Scheinwerfer verwandelten die Sträucher der Hecke in ein gelb, grün und schwarz flackerndes Kaleidoskop. Noch während Harry schaute, rauschte der Lkw von Frigis Express vorüber.
Ein kurzer Möbiussprung brachte sie eine Meile weiter die Straße hinunter. In einem Viadukt, das sich über die Spuren der A1 spannte, kamen sie wieder zum Vorschein, und eine Minute später sagte Harry: »Da kommt er.«
Sie blickten durch die Fenster neben dem Fußweg hinab. Unter sich sahen sie den Lkw von Frigis Express vorbeidonnern und die Straße entlangrumpeln. Seine Lichter wurden immer kleiner und verschmolzen mit dem nächtlichen Verkehr. »Und was jetzt?«, fragte Penny.
Harry zuckte die Achseln und sah erst einmal nach, wo sie sich befanden. »Ein, zwei Meilen südlich von hier liegt Boroughbridge«, sagte er. »Vielleicht hält Johnny dort, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall habe ich nicht vor, ihm zuzusehen, wie er Meile um Meile hinter sich lässt. Ich weiß, dass er mit Sicherheit irgendwo auf der Strecke eine Pause einlegen wird, wahrscheinlich an einer Raststätte, die nachts auf hat. Das ist doch sein modus operandi, oder? Das ist sein Jagdrevier, dort trifft er auf seine Opfer, Frauen, die mitten in der Nacht allein unterwegs sind. Es sei denn ... Das brauche ich dir nicht zu erzählen, oder?«
Penny schauderte. »Nein, mir brauchst du das nicht zu
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