TODESSAAT
Steinmauer an der Seite. Verzweifelt griff er ins Lenkrad, doch der Lkw war bereits über den Randstein hinweg. Er schoss über eine schmale Grasnarbe, raste durch eine Ansammlung nachtschwarzer Sträucher, krachte gegen die Mauer und ... kam mit einem Mal zum Stehen.
Nicht so Johnny! Während der Lastwagen samt Anhänger wie eine Ziehharmonika zusammengedrückt wurde, die Mauer einstürzte und Steintrümmer nach allen Seiten davonflogen, die gewaltigen Treibstofftanks barsten und sich ein Regen aus Benzin über das erhitzte, grotesk verbogene Blech ergoss und den Lkw in eine Flammenhölle verwandelte, wurde Johnny aus dem Fahrersitz gerissen und durch die Windschutzscheibe geschleudert. Die Knochen in seinem linken Arm und seiner Schulter brachen, als er, sich wie ein Feuerrad überschlagend, die Mauerkrone streifte, ehe er auf der anderen Seite auf etwas Hartem aufschlug.
Er hatte Schmerzen, größere Schmerzen als jemals zuvor, und bis auf den flackernden Feuerschein von jenseits der Mauer und eine dröhnende, zischende Explosion, als der Zusatztank in die Luft flog, herrschte ein beredtes Schweigen. Das Schweigen höchster Konzentration; und selbst durch die Wellen des größten Schmerzes hindurch wusste er, dass jemand – mehrere erbarmungslose Jemande – ihn beobachtete.
Er hob den Kopf ein paar Zentimeter aus den spitzen Schotterkörnchen, die in seinem zerfetzten, übel zugerichteten Gesicht haften blieben, und sah, dass Harry Keogh dastand und auf ihn hinabblickte. Und hinter dem rotäugigen Necroscopen standen noch mehr – Leute? Kreaturen jedenfalls, die es – so viel war Johnny klar – überhaupt nicht geben durfte. Sie kamen (krochen, wankten, taumelten) auf ihn zu. Eine von ihnen war ein Mädchen, zumindest war sie früher einmal eins gewesen. Johnny wich zurück, schob sich mit bloßen Händen von ihnen weg, rutschte auf Bauch und Knien, glitt im blutigen Kies aus, bis er gegen ein Hindernis stieß, das ihn stoppte. Irgendwie schaffte er es, den Kopf zu wenden und hinter sich zu blicken. Er sah, was ihn aufgehalten hatte: ein Grabstein.
»Ein ... ein ... verdammter Friedhof!«, stöhnte er.
»Hier ist dein Weg zu Ende, Johnny«, sagte Harry Keogh.
Du hast Wort gehalten, Harry, sagte Pamela Trotter. Er nickte.
Und dem Nekromanten Johnny Found wurde mit einem Mal klar, welche Abmachung sie getroffen hatten. »Nein!«, stieß er hervor. Dann schrie er: »Neeeeiiin!«
Er versuchte, auf die Beine zu kommen. Selbst gebrochen, zerschmettert und in Streifen geschnitten würde er noch vor diesem Grauen fliehen. Doch Pamelas tote Freunde fielen über ihn her, ließen sich einfach auf ihn fallen und hielten ihn nieder. Eine Hand, von der verrottendes Fleisch und Maden abfielen, legte sich ihm vor den Mund. Dann kam sie auf ihn zu und durchsuchte seine ramponierten Kleider, bis sie sein neues Messer gefunden hatte. Obwohl sie schon stark in Verwesung übergegangen war und ihr das Fleisch langsam vom Gesicht faulte, erkannte er sie aus dieser Nähe noch immer.
Weißt du noch, wie viel Spaß wir miteinander gehabt haben?, sagte sie. Du hast dich noch nicht mal dafür bedankt, Johnny, und mir auch nichts dagelassen, was mich an dich erinnern könnte. Na ja, ich glaube, jetzt wird es Zeit, dass ich mir ein kleines Andenken hole. Oder sogar ein großes, he? Etwas, das ich mit runter in die Erde nehmen kann, meinst du nicht auch? Sie zeigte ihm sein eigenes Messer und lächelte ihn an. An den Stellen, an denen das schwarz gewordene Zahnfleisch weggeschrumpft war, waren ihre Zähne sehr lang.
Harry wandte sich ab, um es nicht mit ansehen zu müssen, verschloss sein Bewusstsein vor Founds verzweifelten stummen Schreien. Doch zu Pamela sagte er: »Bring ihn aber auch wirklich um.«
Zu spät! Sie weinte beinahe vor Enttäuschung. Oder vielmehr zu früh! Dieser verfluchte Bastard, Harry, er ist mir schon weggestorben!
Erleichtert atmete Harry auf. Auch gut!, dachte er.
Sie bekam es mit, und nach einem Augenblick pflichtete sie ihm bei: Ja, das ist es wohl. Scheiße, an diesem Stück Dreck hätte ich mir sowieso nur die Hände schmutzig gemacht!
Plötzlich drang ihnen, sowohl Harry als auch Pamela, Founds Totensprache ins Bewusstsein. Was ... ist denn los? Wo ... bin ich? Wer ... ist da draußen?
Keiner von beiden gab ihm eine Antwort, doch das bloße Gewicht von Harrys Gegenwart legte sich auf Founds Geist wie ein Licht, das einem durch die geschlossenen Augenlider dringt. Er wusste, dass Harry da war,
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