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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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zermahlen, falls er zu weit ging und das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse ernsthaft störte? War er zu mächtig geworden und damit korrupt? Wie lautete jenes alte Sprichwort: Absolute Macht verdirbt absolut? Lächerlich. War Gott etwa korrupt? Wohl kaum – menschliche Faustregeln galten eben nur für Menschen.
    Endlose Grübeleien dieser Art plagten den Necroscopen, und manchmal glaubte er, verrückt zu werden. Doch wenn er dann wieder klar zu denken vermochte, wusste er, dass er keineswegs verrückt war; es war dieses Ding in ihm, das seine gesamte Wahrnehmung veränderte.
    Dann erinnerte er sich stets daran, wie er gewesen war, beschloss, immer so zu bleiben, und wusste, dass er nur aus Rücksicht auf seine Freunde unter den Toten zögerte. Er wollte einfach nicht, dass Trevor und Penny solche Höllenqualen der Ungewissheit litten, und dass sie enttäuscht würden, wenn das Warten endlich vorüber war. Einmal sterben reichte vollauf, das hatten ihn die Thraker in den Verliesen der Burg Ferenczy mit Sicherheit gelehrt.
    Und was Gott betraf: Falls es ihn überhaupt gab, und da war sich Harry keineswegs sicher, musste Harry seine Fähigkeiten eben als gottgegeben betrachten und sie entsprechend einsetzen. Solange es ihm noch möglich war.
    So lag Harry andauernd im Widerstreit mit sich selbst, mit seiner Umgebung und sogar mit den Toten, selbst wenn er vermutete, dass sie im Recht waren und nicht er. Manchmal hatte er das Gefühl, er stritt sich nur noch um des Streitens willen. Er argumentierte und dachte nach über Gott, über Gut und Böse, über Wissenschaft, Pseudowissenschaft und Zauberei, über das, was sie verband und was sie trennte. Raum und Zeit interessierten ihn, und besonders die Mathematik mit ihren ehernen Gesetzen und ihrer glasklaren Logik. Die Unabänderlichkeit der Mathematik richtete ihn immer wieder auf, wenn er sich vor Augen hielt, wie sehr sich nicht nur sein Körper, sondern auch er selbst verändert hatte.
    Innerhalb von ein oder zwei Tagen nach seiner Rückkehr aus der Ägäis hatte er das Medium des Möbius-Kontinuums benutzt, um nach Leipzig zu reisen und mit Ferdinand August Möbius zu sprechen, der dort begraben lag. Möbius‘ mathematisches Genie hatte mehrmals dazu beigetragen, Harrys Leben zu retten. Doch obwohl Harry in erster Linie kam, um Möbius zu danken, dass er ihm seine eigene Art von Zahlenmagie wiedergegeben hatte, lief der Besuch schließlich auf eine Diskussion hinaus.
    Der große Mathematiker hatte erwähnt, er wolle als Nächstes den Versuch unternehmen, das All zu vermessen, und sobald Harry das vernommen hatte, war es zum Streit zwischen den beiden gekommen. Diesmal ging es um ›Raum, Zeit, Licht und das Multiversum‹.
    Reicht die Bezeichnung ›Universum‹ denn nicht aus?, hatte Möbius wissen wollen.
    »Absolut nicht«, hatte Harry geantwortet, »denn wir kennen ja bereits Paralleluniversen. Ich war doch schon in einem, wissen Sie das nicht mehr?« (Ein paar ostdeutsche Studenten hatten sich gewundert, wieso dieser Mann am Grab des toten Wissenschaftlers stand und vor sich hin murmelte.)
    Also gut, dann halten wir uns eben an das Eine, das wir am besten kennen! Möbius war Pragmatiker. Dieses!
    »Und das wollen Sie ausmessen?«
    Ich habe es vor.
    »Aber wie wollen Sie das anstellen? Es dehnt sich doch scheinbar ständig weiter aus?«
    Ich werde mich an den äußersten Rand begeben, hinter dem nichts mehr kommt, und mich von dort aus augenblicklich zum gegenüberliegenden Rand versetzen, hinter dem ebenfalls nichts mehr kommt. Dabei werde ich die Entfernung zwischen diesen Punkten messen. Dann komme ich hierher zurück, und genau eine Stunde später vollführe ich dasselbe Manöver, und noch mal eine Stunde später wieder!
    »Gut«, hatte Harry geantwortet, »aber ... welchem Zweck soll das dienen?«
    Nun, von diesem Zeitpunkt an wird – wann immer ich das benötige – stets und sofort eine korrekte Kalkulation der Größe des Universums zur Verfügung stehen!
    Harry hatte einen Augenblick lang mürrisch geschwiegen, bis er sich aufraffte: »Ich habe mir das auch überlegt«, sagte er. »Natürlich rein theoretisch, weil mir die räumliche Messung einer sich ständig verändernden Quantität als ziemlich sinnlos erscheint. Doch zu verstehen, was da abläuft, wie und in welchem Maß das Alter des Universums mit seiner Ausdehnungsrate zusammenhängt – wahrscheinlich ja einer Konstanten – und ähnliche Problemstellungen: Das erscheint mir viel

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