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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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kam auf Samos wieder heraus, wo Pythagoras seine Kindheit verbracht hatte, damals, vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden, und wohin man seine sterblichen Überreste heimlich wieder geschafft hatte.
    So unnahbar und geheimnisvoll der weise Mathematiker auch sein mochte, den ›lauten‹ Gedanken des Necroscopen konnte er aus dieser Nähe nicht entgehen. Schon den bloßen Gedanken daran, ihn nunmehr zu finden, hatte er vernommen. Und er meldete sich: Was ist deine Zahl?
    »Jede, die du mir geben willst«, sagte Harry mit einem mentalen Achselzucken. Nachdem er die flüsternden Gedanken des Mystikers lokalisiert hatte, brachte ihn ein weiterer Möbius-Sprung von der einsamen, waldbestandenen Küste zu einem kleinen Olivenhain an einem sanften Abhang, an dem Terrassenfelder angelegt waren und eine kleine weiße Kapelle. Ein Stück die Küste hinab, zwischen den Kiefern und den vom Wind gekrümmten Eichen kaum zu sehen, lag der Hafen von Tigani. Dahinter glitzerte das Wasser türkis, blau und silbern, während der sanfte Sommerwind aus einer fernen Taverne leise Musik herübertrug.
    Im Schatten der Bäume war es kühl, sodass der Necroscope dankbar den breitkrempigen Hut abnehmen konnte, ebenso die Sonnenbrille, die seine mittlerweile ziemlich empfindlichen Augen schützte.
    Und da Pythagoras schwieg, fügte er hinzu: »Es gibt genug Zahlen. Ich bin nicht wählerisch.«
    Das solltest du aber sein. Die Stimme des Mystikers bebte und klang sehr schwach und fiebrig. Sie sind ALLES. Die Götter selbst sind Zahlen, die allerdings kein Mensch kennt. Wenn ich die Zahlen der Götter herausgefunden habe, wird meine Metempsychose beginnen.
    »Wenn du das wirklich glaubst, wirst du noch lange warten müssen«, hatte Harry erwidert. »Du könntest alle Zahlen in all ihren Kombinationen von jetzt an bis in alle Ewigkeit kennen, und für dich würde sich dennoch nichts ändern. Es hat nichts mit Magie zu tun, Pythagoras! Wie viele Zahlen du auch einsetzt, keine wird dich in einen neuen Körper versetzen. Dabei können dir weder Wissenschaft noch Zauberei helfen.«
    Ha! Die mentale Stimme des anderen strotzte vor Zorn und Verachtung. Und wer ist es, der solche Blasphemien äußert? Das ist also der Necroscope, der noch vor kurzem so unfähig war, für den die kleinste Rechnung ein Rätsel darstellte? Bist du derjenige, für den sie alle um Hilfe baten, diese Legionen des Staubs? Möbius rutschte deinetwegen auf Knien zu mir, und jetzt spielst du den Undankbaren?
    Das hatte Harry getroffen, doch er verbarg seine Gefühle vor dem Griechen. Genauso wie seinen ersten Gedanken: Aufgeblasener alter Furz! ›Laut‹ sagte er: »Ich kam, um mich bei dir für deine Hilfe zu bedanken. Ohne sie wäre ich so wie du: Staub in einem Grab. Oder vielleicht nicht ganz so, denn es gab einen Mann, der mich heraufbeschworen hätte, um mir unter Folterqualen meine Geheimnisse zu entreißen.«
    Ein Nekromant?
    »Allerdings!«
    Das ist schwarze Magie!
    »Nicht immer. Es kann auch einmal nützlich sein. Was ich tue, ist dem ja auch verwandt: Als lebender Mann spreche ich mit einem Toten.«
    Pythagoras dachte einen Moment lang nach und sagte: Ich habe dein Gespräch mit einem der Brüder gehört. Ist Blasphemie bei dir bereits alltäglich? Du hast von Reinkarnation gesprochen, Transmigration und Seelenwanderung!
    »Ich habe lediglich eine Tatsache erwähnt«, sagte Harry. »Ich bewohnte meinen eigenen Körper, und als dieser starb, siedelte ich in einen anderen über. Falls du mir nicht glaubst, so frage die Toten! Sie haben nichts davon, wenn sie lügen. Und wenn deine Asche vollständig rein wäre, könnte ich sogar dich von den Toten erwecken. Nicht mit Hilfe von Zahlen, sondern durch die Magie von Worten. Und das ist keine Blasphemie, Pythagoras, sondern die Wahrheit!«
    Du könntest mich wieder zum Leben erwecken?
    »Nur wenn deine Asche ganz rein wäre und nicht mit anderen Stoffen vermischt. Wurdest du in einer Urne beigesetzt?«
    Ich wurde im Geheimen hier, vor deinen Füßen, in der Erde begraben, wo ich als Junge unter den Bäumen spielte. Fleisch und Knochen sind nun eins mit der Erde. Trotzdem – ich kann dir nicht glauben! Worte anstelle von Zahlen? Worte stammen von lügenden Lippen, während Zahlen rein und unveränderlich sind!
    »Das ist eine akademische Frage«, hatte Harry achselzuckend bemerkt. »In zweitausend Jahren sind deine Salze ohnehin in die Erde hineingespült worden. Jetzt gibt es keine Worte und schon gar keine Zahlen mehr, die

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