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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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dir da helfen könnten.«
    Blasphemie und Aufruhr! Willst du meine Anhänger gegen mich aufwiegeln?
    Nun vermochte sich Harry nicht länger zu beherrschen. »Pythagoras, du bist ein Scharlatan! In deiner Welt hast du deine kleinen, unwichtigen mathematischen Geheimnisse gehütet, als gehe es dabei um Leben und Tod. Der wirkliche Tod hat dich nicht geändert! Ich habe dir die Totensprache geschenkt, und seither hättest du nach Wunsch mit moderneren Meistern der Wissenschaft sprechen können, mit Galilei, Newton, Einstein, Römer, Maxwell und ...«
    Genug! , hatte sich der andere aufgeregt. Ich hätte nicht auf Möbius hören sollen! Ich hätte ...
    »Aber du musstest auf ihn hören! Du hast nicht gewagt ...«
    Was willst du damit sagen?
    »Dass ich dein wirkliches Geheimnis kenne! Dass du ein Hochstapler warst! Du hast nicht nur zu ihren Lebzeiten deine kostbare ›Bruderschaft‹ zum Narren gehalten, nein, selbst im Tod täuschst du sie noch! Es gibt keine Mystik im Bereich der Zahlen, Pythagoras, und das weißt du genau! Du bist schließlich intelligent und für deine Epoche gebildet genug. Du selbst hast mir erklärt, dass Zahlen absolut unveränderlich sind! Das heißt, sie sind keine Ausgeburten der Fantasie, sondern harte Wahrheit! Dazu gehört keinerlei Magie!«
    Lügner! Lügner!, hatte Pythagoras getobt. Du verdrehst meine Worte!
    »Warum verbirgst du dich selbst vor den Toten?«
    Weil sie nichts verstehen! Weil ihre Unkenntnis ansteckend ist.
    »Nein, weil sie mehr wissen als du! Deine Anhänger würden dich verlassen. Du hast ihnen versprochen, sie würden in neue Körper überwechseln und in einer Welt reiner Zahlen wieder mit dir zusammentreffen – und du weißt am Besten, dass dies eine Lüge ist!«
    Ich habe es für wahr gehalten.
    »Aber das war vor zweieinhalbtausend Jahren! Und ist deine Seele gewandert? Bist du von den Toten zurückgekehrt? Wie lange brauchst du, bis du zugibst, dass du dich geirrt hast?«
    Ich habe Zahlen geträumt, die dich vernichten würden!
    »Dann vernichte mich doch!«
    Nun schluchzte Pythagoras. Er schleuderte mental eine ganze Serie von Zahlen nach Harry, die jedoch am metaphysischen Geist des Necroscopen wie von einer Mauer abprallten. Allerdings machte dieser Angriff ihn auf den Zustand aufmerksam, in dem er sich befand: Das Ding in seinem Innern gab sich alle Mühe, seine Persönlichkeit zu ersetzen; dafür sprach die Tatsache, dass er sich der verschlungenen Logik der Wamphyri bediente.
    In diesem Augenblick war jene Erkenntnis seine Rettung, denn Harry hatte niemals jemanden verletzen oder auch nur übermäßig erregen wollen. Deshalb hatte er leise gesagt: »Es ... es tut mir leid.«
    Leid? Du bist ein Ungeheuer! Aber ... ja, du hast ja recht.
    »Nein, ich suchte nur Streit. Vielleicht habe ich recht, vielleicht auch nicht. Aber ich hätte deswegen nicht streiten dürfen. Und jetzt widerlege ich mein eigenes Argument.«
    Wieso denn das?
    »Ich weiß, dass Zahlen nicht unveränderlich sind.«
    Ahhhhh! Würdest du ... könntest du das demonstrieren?
    Darauf hatte Harry ihm das Bild seines Verstandes gezeigt, über den unzählige Möbius-Konfigurationen krochen, mutierten und sich ins Unendliche ausdehnten.
    Lange Zeit war der alte Grieche still geblieben. Dann sagte er mit gebrochener Stimme: Ich war ein kluges Kind und glaubte, alles zu wissen. Die Zeit ist an mir vorübergegangen.
    »Aber man wird dich nie vergessen«, hatte Harry sich beeilt zu beteuern. »Ein jeder kennt deinen Lehrsatz, Bücher wurden über dich geschrieben, und selbst heute noch gibt es Pythagoräer.«
    Meinen Lehrsatz? Meine Zahlen? Wäre ich nicht darauf gekommen, dann eben ein anderer.
    »Aber an deinen Namen erinnern sich alle. Und außerdem könnte man das von jedem Menschen behaupten.«
    Außer vom Necroscopen.
    »Da bin ich mir gar nicht so sicher«, hatte Harry skeptisch geantwortet. »Ich glaube, es gab andere vor mir. Auf jeden Fall einen nach mir. Sie leben jetzt auf anderen Welten.«
    Wirst auch du eines Tages dort leben?
    »Vielleicht. Wahrscheinlich. Möglicherweise schon bald.«
    Wie sieht es jetzt auf der Welt aus?, hatte Pythagoras nach einer Weile gefragt, und Harry hatte vermutet, dass es wahrscheinlich die erste Frage war, die er seit langer Zeit stellte.
    »Auf dieser Insel liegen viele erst kürzlich Verstorbene. Doch du hast sie gemieden. Du hättest sie nach Samos fragen können, nach der Welt, den Menschen. Doch du hast ganz einfach Angst vor der Wahrheit, der

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