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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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anderer Lord, der untot – oder sterbend – in seinem Schutz gewährenden eisigen Schrein dem Ende der Zeiten entgegenträumte. Bei genauerer Überprüfung stellte sich heraus, dass, wer immer er zu Lebzeiten gewesen war, sein Dämmerschlaf bereits vor langem ein Ende gefunden hatte und er nun gänzlich tot war. Eine Eismumie – erfroren, verhungert, aller Körpersäfte beraubt, bis nur mehr Knochen und ausgedörrtes Fleisch, Haarsträhnen und Haut übrig geblieben waren.
    Nachdenklich betrachtete Shaithis ihn durch das verzerrende Flirren der unzähligen Eisschichten hindurch und kam zu dem Schluss: Wer immer er war, vielleicht ist es besser, dass der Tod ihn ereilt hat. Denn seine Gedanken, wären sie noch zu erwecken gewesen, hätten Arkis und dem Ferenc von Geheimnissen wispern können, die Shaithis ihnen lieber vorenthielt ... beispielsweise warum er dort, auf einen skelettierten Ellbogen gestützt, auf seinem Eisblock ruhte, eine Klauenhand vors Gesicht erhoben, als wolle er etwas Furchtbares abwehren. Und erst die Augen! Die Zeit hatte das scharlachrote Feuer in ihnen ausgebleicht, nicht jedoch das namenlose Grauen darin. Selbst dieser Angehörige der alten Wamphyri war zutiefst entsetzt! Vor etwas oder jemandem, der genau da gestanden hatte, wo Shaithis jetzt stand.
    »Was haltet Ihr davon?« Das jähe, wiederhallende Gepolter von Ferencs Stimme ließ Shaithis zusammenzucken. Sein Blick folgte der Klauenhand des Giganten, die auf ein bislang unbemerkt gebliebenes kreisrundes Loch im Eis wies. Knapp achtzehn Zentimeter im Durchmesser, führte eine Bohrung, ein Tunnel pfeilgerade auf die für alle Ewigkeiten konservierten sterblichen Überreste des Wamphyri auf seiner Liegestatt zu.
    »Ein Bohrloch!« Shaithis’ Gesicht verzerrte sich.
    »Aye.« Der Ferenc nickte. »Wie von einem ungeheuerlichen Wurm. Aber gibt es hier solche Wesen? Eiswürmer?« Er kniete sich nieder und stieß Hand und Arm fast bis zur Schulter hinein. Als er sich wieder aufrichtete und in das Bohrloch spähte, fügte er hinzu: »Es führt direkt auf sein Herz zu!«
    »Da drüben gibt’s noch mehr solcher Löcher«, rief Arkis aus einiger Entfernung von der anderen Seite des Eisblocks her. »Und mir kommt es so vor, als seien sie allesamt mit einem Bohrer gemacht worden. Seht Ihr diese Eisspäne dort auf dem Boden?«
    Shaithis zuckte es durchs Hirn: Und genau diese kleinen Details sind es, die ihr schon lange kennt, meine törichten Freunde, und die euch aufmerken ließen. Auch er umrundete den Schrein und begab sich zu Arkis, der sich diese neuen Löcher eingehend besah – oder vielmehr diese neu entdeckten Löcher, denn nüchtern betrachtet konnten sie ebenso gut vor hundert wie vor zweihundert Jahren gebohrt worden sein. Als Shaithis wie zuvor der Ferenc durch sie hindurchspähte, fiel ihm auf, dass die perfekt kreisförmigen Röhrengänge zwar anscheinend zielsicher zur Hauptmasse des vom Eis umschlossenen Mumienkörpers führten, ihn jedoch nicht erreichten.
    Bei sich dachte er: Röhren, aye, und kniff die Augen ein wenig zusammen, als er diesen Gedanken eingehender prüfte. Er war in den Siedlungen der fahrenden Szgany- Metallwirker östlich der großen Bergkette gewesen, welche Starside von Sunside trennte. Sie waren die Schmiede, die die Furcht erregenden Kriegshandschuhe der Wamphyri entwarfen und herstellten. Shaithis hatte zugesehen, wie die farbenfrohen Traveller flüssigen Stahl in tönerne Röhren gossen oder durch irdene Rinnen in Gussformen strömen ließen. Diese Bohrlöcher hier erinnerten ihn ebendaran – strömende Flüssigkeiten. Nur, dass alle diese Röhren ein sanftes Gefälle aufwiesen, was anzeigte, dass sie nicht geschaffen worden waren, um etwas zu dem toten Lord hin zu befördern. Dann also von ihm weg? Shaithis fröstelte; er begann diese Nachforschungen, insbesondere die Schlüsse, die sie nahe legten, abscheulich zu finden.
    In der Tat umgab die gesamte Szenerie etwas, was selbst Shaithis’ Vampirherz nichts Gutes ahnen ließ; etwas Bedrückendes, Schicksalsschweres. Schließlich war es Fess Ferenc, der seine Gedanken in Worte fasste: »Ich und der pustelige Volse, wir sahen Eisgehäuse, deren Mauern nicht ganz so dick waren. Durch sie konnten die Bohrlöcher geradewegs bis ins Zentrum dringen. Ein jämmerliches Bündel Lumpen, Haut und Knochen war alles, was darin übrig war.«
    »Was?« Shaithis starrte ihn stirnrunzelnd an.
    Fess nickte. »Als seien die Bewohner der Schreine, die Schläfer in diesen

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