Todessaat
einfacher Plan. Bis sich die Symptome bemerkbar machten, hätten die Mitglieder von Radikaler Schaden längst alle Spuren beseitigt und wären weitergezogen. Sie hatten Geld von den Diebstählen am Güterbahnhof, und selbst als Bartholomew ermordet worden war und Andrea und Nate sowie der harte Kern der Gruppe bei einem weiteren Überfall auf die Güterwaggons verhaftet worden waren, hatten die restlichen Mitglieder immer noch einen Notfallplan, um weiterzumachen.
Grace dachte darüber nach. Der verführerische Sog des Terrorismus. Der ständige Nervenkitzel, weil man immer am Limit lebte und einem die Gefahr im Nacken saß. Hatte Frank Waggaman Bartholomew getötet, um selbst der neue Anführer der Gruppe zu sein? Der neue König.
Gib mir etwas Handfestes.
Sie nahm den Aufzug zur Säuglingsstation. Bis auf einen einzelnen Vater auf einem Plastikstuhl, der im Schlaf schnaubte, war das Wartezimmer leer. Über ihm lief im Fernseher gerade eine Sendung, in der eine Frau mit grünen Haaren einen Käfer verspeiste.
Eine kleine Rezeption zwischen zwei geschlossenen Türen war unbesetzt. Auf einem Schild stand: Neue Besucher bitte eintragen. Bei Fragen und/oder bei Neuaufnahmen nutzen Sie bitte das Telefon an der Säuglingsintensivstation.
Sie öffnete eine der Türen. Eine Krankenschwester las eine Krankenakte für jemanden am Telefon vor.
»Vonda Sonderberg, bitte.« Grace zögerte. »Ich gehöre zur Familie.« Die Worte hatten eine gewisse Macht. Grace sprach sie noch einmal aus, dieses Mal sanfter.
Die Schwester nannte ihr die Zimmernummer und las weiter.
Grace fand Vondas Zimmer und klopfte.
»Herein«, rief Vonda fröhlich.
Sie saß gegen die Kissen gelehnt im Bett. Sie war blass und hatte eine gerötete Nase, aber ihre Augen glühten vor gelassener Gewissheit. Grace erinnerte sich an das Gefühl. Nachdem sie Katie zur Welt gebracht hatte, fühlte sie sich unbesiegbar. Genauso sah auch Vonda aus. Sie trug ihr Haar offen, glänzende Linien umspielten ihre ausdrucksstarken, dunklen Augen und ihren sanften Mund.
An ihrer Brust liebkoste sie ein kleines Bündel, das in eine wärmende, blaue Flanelldecke des Krankenhauses gehüllt war. Oben aus der Decke spitzte schwarzes, seidiges Haar, und man hörte ein leises Glucksen.
Die Jalousien waren schräggestellt und ließen ein Stück des dunklen Himmels erkennen. Ein Taschenbuch mit vielen Eselsohren lag auf dem beweglichen Nachttisch: Tipps für biologische Babynahrung.
»Hey«, begrüßte Vonda Grace sanft.
An der Wand standen mehrere Körbe mit Brot. Mit Liebe handgemacht! stand auf dem Aufkleber in runder Schrift um das Die-gute-Farm- Logo . Gesunde Soja mit jedem Bissen!
»Ich verteile sie an die Schwestern. Sie waren alle fabelhaft. Du hast dein Brot auch noch nicht bekommen.«
»Stimmt.« Grace bewegte sich vor. »Wie wäre es mit Cranberry? Ist das in Ordnung?«
»Was immer du willst. Möchtest du ihn mal sehen?«
»Liebend gern. Aber lass ihn erst einmal trinken. Wir müssen uns unterhalten.«
An Vondas Brust bewegte sich der winzige Kopf, der mit feinem flauschigem, schwarzem Haar bedeckt war, in rhythmischen Bewegungen unter der Decke.
»Vonda, die Sojasaat, die euch Frank Waggaman verkauft hat. Hast du das Zeug jemals testen lassen?«
Vonda runzelte die Stirn. »Es ist doch biologisch.«
Grace nickte. Sie beugte sich vor und streichelte Sams Köpfchen.
»Warum hätte ich es testen sollen, Grace? Was stimmt denn nicht damit?«
»Was muss getestet werden?« Stuart stand plötzlich in der Tür. Er sah zerzaust und schläfrig, aber auch durchtrainiert aus. Er trug ein dunkelgraues T-Shirt und ein Paar ausgebeulte Jeans. Er lächelte Vonda an, und sie strahlte zurück. Dann ging er auf sie zu und berührte ganz sanft die Wange seines Sohnes.
»Hallo, kleiner Mann.«
»Dafür, dass du gerade erst mit Vonda die Geburt überstanden hast, siehst du wirklich gut aus.«
»Ich laufe über glühende Kohlen, Grace. Also, was muss getestet werden?«
»Vielleicht gar nichts«, antwortete Grace. »Ich bin nur neugierig wegen des biologischen Saatguts, das für euer Brot benutzt wird.«
»Frank Waggamans Soja.«
»Verkauft er auch an andere Biobauern?«
Stuart nickte, sein Blick lag auf seinem Sohn. »Soweit ich weiß, ja. Er hat es lediglich mit einigen Nährstoffen angereichert. Alles organisch.«
»Ich würde es gerne testen.«
Müde riss er die Augen auf. »Gibt es ein Problem?«
»Ich möchte es einfach nur testen, das ist alles. Habt ihr
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