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Todessaat

Titel: Todessaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Arnout Smith
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spannte. Als die Schnur einrastete, war ein kurzer Laut zu hören. Schließlich hob er die Armbrust, bis er Grace im Visier hatte. Diese Bewegung dauerte weniger als zwei Sekunden.
    In diesem Moment stürzte alles auf Grace ein. Sie hatte eine eigene Welt mit Katie gebildet; eine Welt, die sie nun mit Mac teilen musste. Von außen betrachtet, war es eine kleine, geordnete Welt, aber sie explodierte unter dem Mikroskop, wenn man an der Oberfläche kratzte. Dann sah man einen Trainingsplan für Fußball, Aufgabenlisten, schmelzende Eiscreme, die zu lange im Auto lag; eine Welt von langen Nächten im Labor und frühen Morgen mit Katie auf dem Dach, wo sie in Schlafsäcke eingehüllt die verblassenden Sterne und die aufgehende, rosafarbene Sonne beobachteten. Eine Welt, in der Delfine springen konnten, wenn auch nur auf den Seiten von Katies rosa-orangefarbenem Briefpapier. Eine Welt voller Licht.
    Als man sie angerufen hatte, war das alles gewesen, worüber sie sich Gedanken machte. Sie war nicht daran interessiert, die Welt zu retten. Sie wollte einfach das retten, was noch von ihr selbst übrig war. Und nun musste sie erkennen, dass beides miteinander verbunden war.
    Sie sah Katies Gesicht vor sich. Das Leuchten in den Augen.
Sie musste Katie einen Helden geben, an den sie glauben konnte. Und mehr noch als das musste sie sich selbst einen geben.
    Sie zog Johnstones Autoschlüssel aus der Tasche und kam auf die Beine. Sie drückte auf die Alarmtaste auf der Fernbedienung des Autos. In der Dunkelheit blinkten rote Lichter auf. Der Alarm schrillte. Es gab ihr gerade so viel Licht, um Stuart zu sehen. Die roten Warnblinker leuchteten auf seinem Gesicht.
    Überrumpelt drehte Stuart den Kopf in Richtung des Lärms. In der Zwischenzeit richtete sich Grace, das Schloss in der Hand, auf, zielte und warf es auf Stuart.
    Das Stahlschloss war schwere amerikanische Wertarbeit, und Grace hatte gut gezielt. Das Schloss traf ihn seitlich am Kopf, und er taumelte über den Hof. Dann verlor er das Gleichgewicht, und der Pfeil flog über den Platz in Richtung des blinkenden Autos.
    Grace suchte entlang des Waggons nach der ersten Metallsprosse. Beim Klettern versuchte sie, so leise wie möglich zu sein, wusste sie doch, dass auf diese Weise ihr Rücken ein leichtes Ziel abgab.
    Die Luft wurde schlechter, sie kam ihrem Ziel näher; es stank und roch nach Schweiß. Sie schwang sich nach vorn in den Waggon, fiel auf die Knie und tastete die Fugen nach dem Metallbolzen ab, der so dazwischengeklemmt worden war, dass die Tür offen blieb.
    Gerade als sie den Riegel gelöst hatte, sprang Stuart von unten hoch und schrie. Es war ein fauchender, wilder Schrei. Er sprang ein zweites Mal. Fast einen Meter hoch. Mit angewinkelten Beinen und gebogenen Armen sah er wie ein Ninja-Kämpfer aus. Die Armbrust war direkt auf sie gerichtet. Grace stellten sich die Nackenhaare auf.
    Sie warf sich mit aller Kraft gegen die Schiebetür, damit diese schneller ins Schloss fiel. Die Metallangeln knarrten.

    Sie drückte fest mit der Schulter dagegen, und sie hatte die Schwerkraft auf ihrer Seite, aber Stuart hatte den Wahnsinn und die Wut auf seiner Seite.
    Sie schloss sich wie eine Schiebetür. Grace sagte es sich immer wieder. Wie eine Schiebetür, wie eine Schiebetür. Der Mond befreite sich von den Wolken.
    Das Letzte, was sie sah, war Stuart, der mit gezückter Armbrust dastand. Er schoss. Die Schnur knallte. Der Pfeil kam auf sie zu.

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    D ie Tür schlug krachend zu und tauchte das Innere des Waggons in vollkommene Dunkelheit. Draußen knallte der Pfeil mit solcher Kraft gegen die Tür, dass es sich anhörte, als könne er das Metall durchdringen. Grace duckte sich instinktiv und sprang einen Schritt zurück.
    Vor Schreck hatte sie den Metallriegel fallen lassen, also tastete sie den Boden mit den Händen danach ab. Ihr linker Knöchel stieß gegen den Riegel, sie hob ihn auf und kroch zurück zur Tür.
    Notfalls könnte sie den Metallriegel als Waffe benutzen und damit zuschlagen, wenn er die Tür aufriss. Aber wenn sie ihn in der Dunkelheit verfehlte, würde er sie umbringen.
    Sie wusste, dass Stuart die Entfernung zwischen ihnen innerhalb von Sekunden überwinden würde. Dann würde er versuchen, die Tür von außen zu öffnen. Grace tastete mit den Händen die Rille der Schiebetür ab. Nun musste sie das Gegenteil von dem machen, was die Polizisten hier getan hatten. Denn diese hatten den Riegel ja benutzt, um die Tür offen zu halten. Sie hingegen

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