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Todessaat

Titel: Todessaat
Autoren: Susan Arnout Smith
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Boden, und Grace stieß dabei gegen das Auto.
    Er trug ein Nachtsichtgerät und eine Armbrust. Aus dieser Nähe sah es geradezu mittelalterlich aus: In einem Halfter unter seiner Schulter steckte eine Handvoll Pfeile. Ein Luftzug zerzauste sein wildes Haar. Er war ein schwarz gekleideter Soldat des Todes, der auf Zerstörung, Feuer und Tod aus war.
    »Steh auf«, befahl er Grace mit ruhiger Stimme.
    »Tu das nicht.« Adrenalin schoss durch sie hindurch. Ihr Mund war trocken.
    »Ich zähle von zehn rückwärts. Dann benutze ich die Armbrust, nicht die Pistole. Das ist fairer.« Er lächelte. »Zehn.«
    Dieses Phänomen kannte sie aus Hunderten von Natursendungen. Ein verwundeter Adler oder ein Falke wurde gesund gepflegt. Dann öffnete man die Käfigtür, dann folgte die Stille, nachdem der Vogel am Himmel oder im Schatten der Bäume verschwunden war.
    Durch das Adrenalin beflügelt, sprang Grace auf die Beine und rannte los.
    Vor ihr lagen die schattigen Ruinen des Lokomotivschuppens, und dahinter war der Rangierbahnhof. Ein einzelner Scheinwerfer erhellte das Windlift-Logo. Mehr noch als alles andere machte dieser Strahler Grace große Angst. Das Gebäude stand leer. Von dort war keine Hilfe zu erwarten. Ein schmaler Silberstreif des Mondes erhellte die Zementfundamente
einer ehemaligen Mauer. Borstige Akazien hatten sich wie Drahtbürsten zusammengerollt.
    »Neun.«
    Sie lief auf den Lokomotivschuppen zu, rutschte aus und schlidderte über Kieselsteine. Sie fragte sich, ob er sie auch durch Betonpfeiler sehen konnte. Sie stolperte über ein abgebrochenes Stück Stein, aus dem ein Metallstück herausstand.
    »Acht.«
    Sie ergriff einen vorstehenden Pfosten und zog sich in den Lokomotivschuppen. Das Mondlicht schien durch das beschädigte Dach und schuf ein netzförmiges Muster aus wandernden Schatten.
    Aus der Ferne konnte sie ihn zählen hören, ohne die einzelnen Zahlen zu verstehen.
    Sie schaute sich um. Als sie daran vorbeigefahren war, hatte sie zerbrochene Flaschen aufblitzen sehen. Sie waren jedoch nutzlos, wenn sie nicht nah genug herankam, und es war gefährlich, in der Dunkelheit danach zu suchen.
    Grace tastete sich an der Wand vorwärts. Beinahe wäre sie gefallen, als die Mauer abrupt endete.
    Durch die Lücke konnte sie die geisterhaften Formen der Güterwaggons erkennen, die an der Seite abgestellt waren. Fast hätte sie laut aufgeschrien. Die Schiebetür des vierten Wagens stand offen, und im düsteren Mondlicht konnte sie die aufgemalten Seriennummern erkennen. Es war derselbe Waggon, in den sie mit ihrem Onkel hineingeklettert war.
    Direkt bei dem Waggon erkannte Grace die Silhouette eines Mannes.
    Halb rannte, halb stolperte sie und sprang schließlich aus einem Fenster des Lokomotivschuppens. Sie fiel hart zu Boden. Der Schock fuhr ihr in die Beine, sodass sie einige vorsichtige Schritte machen musste, um ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen. Der Wind wurde stärker. Leise war das Pfeifen eines Zuges in der Ferne zu hören.

    Sie rannte auf die silbern glänzenden Güterwaggons zu. In den Knöcheln und Schienbeinen spürte sie einen stechenden Schmerz. Sie lief weiter in Richtung des Rangierbahnhofs und kletterte über Stahlträger. Sie lief geduckt, rutschte auf Schotter aus, stolperte über Schienen und befand sich schließlich auf der anderen Seite des Bahnhofs, sodass die Güterwaggons zwischen ihr und dem Lokomotivschuppen standen. Sie rannte in geduckter Haltung und mit gesenktem Kopf weiter.
    Sie passierte den ersten Waggon, warf einen Blick in die Lücke zwischen den Waggons, aus Angst, was sie dort erwarten würde. Doch alles war finster.
    Sie rannte weiter. Sie passierte den zweiten Waggon und dann den dritten. Schließlich versteckte sie sich in der Lücke zwischen den beiden letzten Waggons. Keuchend beugte sie sich vornüber. Ihr schweres Atmen schnitt durch die Dunkelheit. Vielleicht hatten ihr die Lichtverhältnisse einen Streich gespielt. Niemand war da, denn sie hatte zu viel Lärm gemacht, um überhört zu werden. Ein Polizist hätte nach ihr gerufen. Ihr befohlen, stehen zu bleiben und zu erklären, was sie hier wollte. Es war also kein Polizist gewesen. Ein Flüchtling hätte genauso viel Angst wie sie selbst und wäre möglicherweise mit den Schatten verschmolzen. Verschwunden.
    Sie wischte sich über den Mund. Eine Eule stieß einen Schrei aus. Sie beugte sich über den Metallbolzen, der die zwei Waggons miteinander verband, und streckte den Kopf hervor, um zurück zum
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