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Todessaat

Titel: Todessaat
Autoren: Susan Arnout Smith
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ich?«
    Grace steckte die Taschenlampe tief in die Kiste und ließ dann den Lichtkegel wieder über das Getriebe huschen. Der Strahl entdeckte etwas im Inneren der Metallhülle. Grace beugte sich in die Kiste vor, um besser zu sehen.
    Es war glänzend, fast feucht. Ein Plastikbeutel.
    Nein, es war doch kein Plastikbeutel. Ein Säckchen aus einem unbestimmbaren Material. Sie streckte sich, bis sie es mit dem Finger berühren konnte. Es bewegte sich im Lichtschein, ähnlich einem Silikonimplantat. Sie schob die Hand darunter und löste das Paket vorsichtig. Dann hielt sie es in der Handfläche und musterte das Ganze.
    Das Licht der Taschenlampe flackerte ein letztes Mal, bevor es vollständig erlosch.

    Sie stand ganz ruhig da und fragte sich, ob sie tatsächlich das gesehen hatte, was sie glaubte. Einige braune Partikel in einer Flüssigkeit.
    Braune Soja. Das Säckchen war mit Soja gefüllt.
    Auf dem Dach veränderte Stuart seine Position. Vorsichtig legte Grace den Beutel zu Boden und tastete sich dann in vollkommener Dunkelheit an der Kiste vorbei.
    »Ganz egal, wie oft du ihm gegenüberstandest, er konnte sich nicht an dich erinnern. Nicht wahr? Es blieb ihm einfach nicht im Gedächtnis. Also hast du dir einen Plan überlegt, den besten Plan. Du hast Gott gespielt. Und dein Vater war wenig beeindruckt. Er protestierte. Du warst ein Niemand und wolltest Gott spielen. Dein Vater konnte sich noch nicht einmal an deinen Namen erinnern.«
    »Ich scheiß auf ihn. Er ist ein Niemand. Ein Nichts! Ich bin besser als Gott! Klüger! Kümmert sich Gott um Ungerechtigkeiten? Nein! All das Elend, das aufgrund von rassistischer Überlegenheit entsteht. Ganze Völker wurden ausgelöscht oder unter unglaublichen Bedingungen unterworfen, und wofür? Ich bin das Sprachrohr der Vergessenen, der Stimmlosen. Ich. Nur ich.«
    Sie schlug mit dem Schienbein gegen die verschnürten Rotorblätter und hielt sich daran fest, um nicht zu stürzen. Sie musste also in der Dunkelheit wieder darüberklettern, um an die Leiter zu kommen.
    Sie steckte die Fußspitze zwischen die Blätter und verlagerte ihr Gewicht. Sie zog sich hoch.
    Sie konzentrierte sich auf die Leiter, versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Plötzlich fanden die Teile in ihren Gedanken zusammen, und ihr wurde alles klar.
    Er hatte manipulierte Soja in einen Beutel gepackt und ihn mitten in die Turbine gelegt. Das kleine, mit Gel gepolsterte Säckchen, würde zerplatzen, wenn der Wind die Rotoren antrieb, und sie würden mit jeder Drehung die Soja in
der Luft verteilen. Die Saat würde in alle Winde verstreut werden. Irgendwo konnten die Keime wurzeln und schließlich wachsen.
    Leben.
    Alles, was Soja brauchte, war Wasser und Sonne. Sie würde wie Unkraut wachsen. Sich explosionsartig im Land verbreiten. Randvoll mit dem genetischen Tod.
    »Das Mädchen mit der Einhorntätowierung. Tammy.«
    »Du musst das verstehen. Bartholomew - Daddy - hatte diese kleine Gruppe von lächelnden Schleimern; natürlich vor allem Frauen. Sie wollten Chaos und Verwüstung anrichten. Alles war nur geheuchelt. Sie schnappten sich eine Ladung von Armbrüsten.«
    »Und du hast eine zum Töten gestohlen.«
    »Er war ein Nichts, Grace. Ein Niemand. Ich habe ihm so viele Chancen gegeben.«
    »Hast du auch Tammy getötet?«
    Das Sägen wurde heftiger. »Teufel, nein.«
    »Wer war es dann?«
    »Wen interessiert das schon?«
    Graces Hände ergriffen das obere Ende der Rotorblätter, und sie zog sich hoch. Dann streckte sie die Arme nach oben, um die Leiter zu finden. Sie wankte und ließ die Arme auf die glatte Oberfläche der Rotoren sinken, um nicht zu stürzen. Sie streckte sich, bis sie die Wand des Waggons fühlte. Dann hob sie einen Fuß. Ihr Knöchel landete an einer Sprosse. Vorsichtig drehte sie sich und ergriff die Leiter.
    Ein Windrad für jedes Teilnehmerland. Fünfzig Bundesstaaten. Beinahe sechzig Länder auf allen Kontinenten.
    Jedes Windrad trug den Tod in sich. Fünfzig neue Flecken mit manipuliertem Soja zwischen der Ost- und der Westküste. Amerika wäre kompromittiert. Und was war mit den anderen Ländern?
    Draußen bei Nacht.

    Grace schloss die Augen, um die Bilder zu verdrängen, die ihr in den Sinn kamen: Eine zitternde Indianerfrau, die nach einer Decke griff, die mit Pockenviren verseucht war; ein Viehwaggon, der in Auschwitz zum Stehen kam; sterbende Afrikaner in Ketten. Und in jüngerer Vergangenheit: aufgetürmte Schädel auf einem Schlachtfeld in Kambodscha; eine Lichtung
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