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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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und hoffte, dass sie noch in Ordnung wären. Die Axt war jedoch nicht mehr an ihrem Platz an der Wand, was ihn in Angst und Schrecken versetzte, bis er sich zusammenriss, zurück zu den Schubladen ging und nach etwas suchte, das man als Waffe benutzen konnte. Dort fand er zum Glück einen wuchtigen Schraubenschlüssel, den er mitnahm, obwohl er es damit kaum gegen eine Axt aufnehmen konnte. Doch das schwere Metallwerkzeug lag gut in der Hand, und Ægir freute sich geradezu darauf, es benutzen zu können. Er umschloss den Schraubenschlüssel fest und wollte noch einmal an Deck gehen, um sich zu vergewissern, dass die Rettungsboote noch da waren. Wenn die Luft rein war, würde er sich anschauen, wie man sie losmachte. Falls sie in einem Rettungsboot fliehen mussten, durften sie keine Zeit verlieren. Anschließend würde er zurück auf die Brücke gehen und versuchen, die Yacht wieder auf Kurs zu bringen. Und dann so schnell wie möglich runter zu den Mädchen.
    Als er aufs Deck hinaustrat, traf ihn ein Windstoß von frischer Meeresluft. Doch sie roch nicht nach Salz, sondern nach Parfüm, und Ægir schnupperte und versuchte auszumachen, woher der Geruch kam. Der Wind kam von vorne, und er spähte vorsichtig um die Ecke des Steuerhauses zum Bug. Die Außenlampen waren ausgeschaltet, dennoch konnte er sehen, dass niemand draußen war. Der Geruch kam eindeutig von dort. Sein Gefühl sagte ihm, er solle die Sache nicht weiter beachten, doch seine Neugier war stärker. Es handelte sich um ein Frauenparfüm, kein Mann würde sich mit so einem schweren, klebrigsüßen Blumenduft einsprühen. Und wenn dort eine Frau war, bestätigten sich zwei Dinge: Es gab eine blinde Passagierin an Bord, und Ægir hätte bei einem Kampf mit ihr bessere Chancen. Wenn er sie fände und überwältigte, könnten sie gefahrlos zum Hafen fahren, ohne ihr Leben in einem Rettungsboot, das wie ein Flaschenkorken auf dem weiten Meer schaukelte, aufs Spiel zu setzen.
    Ægir trat vorsichtig vor das Steuerhaus und versuchte, dem Duft zu folgen. Nach ein paar Schritten fiel sein Blick auf etwas, das sein Herz zum Stocken brachte. Unter der weißen Bank ganz vorne im Bug ragten zwei Beine hervor. Er erkannte sofort Hallis Schuhe, die er die ganze Fahrt über angehabt hatte. Und er lag bestimmt nicht dort und schlief. Seine Beine waren so verdreht, dass sein Körper unmöglich unversehrt sein konnte. Ægir vergaß alle Vorsicht, lief zu der Bank und bückte sich. Dort war der Parfümgeruch noch stärker, und Ægir war sich sicher, dass er ihn nie wieder riechen könnte, ohne zu würgen. Vor allem, als er das eiskalte Bein berührte und merkte, dass es vom Rumpf abgetrennt war. Und der war nirgends zu sehen. Entsetzt zog er seine Hand zurück und stolperte auf die Füße. Er war in Gefahr, ob der Unbekannte nun eine Frau oder ein Mann war. Diesem Verrückten war alles zuzutrauen.
    Ægirs Vorsätze, die Yacht wieder in Gang zu bringen, waren wie weggeblasen, und er rannte zum Treppenhaus, das ihn zu den Zwillingen führen würde. Am liebsten hätte er ihre Namen gebrüllt, ihnen zugerufen, vorsichtig zu sein, er wäre gleich bei ihnen. Doch er schwieg und sparte die Luft in seinen Lungen zum Laufen. Als er die Tür öffnete, wurde ihm klar, dass es zu spät war. Er würde nie mehr zu seinen Töchtern gelangen. Das schmerzte ihn mehr als die Axt, die in seinen Bauch schlug. Dann wurde sie herausgezogen und wieder hineingetrieben, diesmal in sein Brustbein. Als seine Muskeln vor Schmerz nicht mehr gehorchten, ließ er die Signalraketen und den Schraubenschlüssel scheppernd auf das Stahldeck fallen. Sein letzter logischer Gedanke drehte sich weder um den Schmerz noch um seine Töchter, die jetzt auf sich alleine gestellt waren, sondern darum, wie das alles möglich sein konnte. Vielleicht gab es ja doch Wiedergänger.

30. Kapitel
    »Sie wussten also nichts davon? Ihr Freund Halldór hat mit keinem Wort erwähnt, dass er Karítas in Lissabon getroffen hat?«, sagte Dóra mit lauter Stimme, um die Musik zu übertönen, die aus dem Lautsprecher hinter ihr dröhnte. Sie kannte die Band nicht und hatte auch kein Interesse daran, sie kennenzulernen. Die Bässe waren so laut, dass ihr Körper automatisch mitwippte und sie Angst hatte, ihr Herz würde anfangen, im Takt mit den schnellen Trommeltakten zu schlagen.
    Nachdem Bella und sie das Haus von Karítas’ Mutter verlassen hatten, hatte Dóra sofort bei Snævar angerufen und um ein Treffen gebeten. Sie hatte

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