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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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herauszufinden, wo sie sich befanden, sähe ihre Lage wesentlich besser aus. Er könnte die Rakete abfeuern, wenn er andere Schiffe hörte oder sah.
    »Okay, ich muss euch jetzt bitten, noch ein einziges Mal ganz tapfer zu sein. Ich gehe raus und sehe nach, was los ist. Ihr müsst so lange hier auf mich warten. Ihr dürft nicht rauskommen, egal, was passiert. Meint ihr, ihr schafft das?«
    »Wir wollen nicht alleine hier sein«, sagte Bylgja und schaute zu ihrer Schwester in der Hoffnung auf Unterstützung. »Was sollen wir tun, wenn jemand reinkommt, während du weg bist?«
    »Es kommt niemand rein. Ihr schließt hinter mir ab.«
    »Und wenn jemand so tut, als wäre er du?«
    »Niemand kann so tun, als wäre er ich. Ihr kennt doch meine Stimme.«
    Widerstrebend ließen sich die Mädchen darauf ein, obwohl man ihnen ansah, dass sie es nicht wollten. Sie brauchten ihn. Ihren Vater. Aber daran ließ sich jetzt nichts ändern, er konnte sie nicht mit rausnehmen, wo niemand wusste, was ihn erwartete.
    »Vielleicht versteckt ihr euch zur Sicherheit im Schrank. Wenn jemand in die Kabine schaut, denkt er, ihr wärt mit mir rausgegangen, und macht einfach wieder die Tür zu.«
    »Aber dann hören wir nicht, wenn du klopfst.«
    »Ich klopfe ganz laut.« Ægir legte wieder das Ohr an die Tür und lauschte. Kein Geräusch. »Und ich beeile mich.«
    Er wollte gerade nach der Türklinke greifen und losgehen, als ihn der Mut verließ und er das starke Verlangen spürte, seine Töchter zum Abschied zu küssen. Ihre Wangen waren weich und warm, und der Duft der Kinderhaut war das Beste, was er je gerochen hatte. Wie war er nur auf die Idee gekommen, dass sie mehr Geld bräuchten, um ihr Leben zu verbessern? Es war nicht möglich, etwas zu verbessern, das schon perfekt war. Es konnte nur schlechter werden. Ægir schielte zu der Aktentasche, die immer noch an derselben Stelle an der Wand stand, und hätte am liebsten so lange geschrien, bis seine Stimmbänder versagten. Stattdessen schaute er seine Töchter, die verängstigt und zerbrechlich in der Ungewissheit zurückblieben, nur traurig an.
    »Versteckt euch im Schrank und wartet, bis ich klopfe. Ich sage euch, dass ich es bin, damit ihr mich nicht verwechselt.«
    Er drückte jedem Mädchen einen Kuss auf die Stirn und ließ seine Lippen für einen Moment dort ruhen.

    Der Gang war leer, und auch auf dem Weg zur Brücke begegnete Ægir niemandem. Jeder Muskel, jede Sehne und jeder Nerv waren angespannt, bereit, dem Mörder entgegenzutreten. Ægir hoffte zwar, dass es nicht dazu kommen würde, doch ein Teil von ihm sehnte sich danach, dem Mann entgegenzutreten und ihn totzuschlagen. Obwohl Ægir so gut wie keine Erfahrung mit Schlägereien hatte, war er sich ziemlich sicher, dass es ihm gelingen würde. Er hatte den Hass auf seiner Seite. Als er sah, wie sich sein Gesicht im Fenster der Brücke spiegelte, von Wut entstellt, erschrak er und hoffte inständig, dass er beim Abschied von den Mädchen nicht so ausgesehen hatte. Falls ihm etwas zustieß, wollte er nicht, dass sie ihn so in Erinnerung behielten.
    Auf der Brücke war niemand zu sehen, das Licht war ausgeschaltet, aber die Steuerinstrumente leuchteten so hell, dass es unmöglich war, sich dort zu verstecken. Dennoch öffnete Ægir vorsichtig die Tür und trat leise ein. Dann ging er geradewegs zum GPS-Gerät. Demnach war die Yacht immer noch sehr weit vom Land entfernt. Der Motor war ausgeschaltet, und es erschienen keine Kursangaben mehr unten auf dem Bildschirm. Man konnte nicht sehen, wie lange es noch dauerte, bis sie am Ziel wären. Vielleicht hatten sie noch zehn Stunden vor sich, doch jede Stunde, die verging, ohne dass die Yacht weiterfuhr, bedeutete eine Fahrstunde mehr. Sollte er den Motor wieder anlassen? Sie würden in dieser Gegend bestimmt nicht das Schiff verlassen, und Ægir hatte die böse Ahnung, dass sie nicht den Rest der Fahrt in Ruhe in ihrer Kabine verbringen konnten. Doch wenn er den Motor anließ, würde dieser Schuft es bemerken und einschreiten. Vielleicht ließ sich das nicht vermeiden, aber Ægir hatte Angst, dass er direkt zu den Mädchen stürzen und vor ihm bei ihnen sein würde. Und das wäre unverzeihlich.
    Er trat vom Steuerpult zurück und suchte die Signalraketen. Falls er die Yacht wirklich wieder in Gang setzen würde, würde er das als Letztes machen und anschließend sofort runter zu den Mädchen rennen. Schnell fand er in einer Schublade ein paar Raketen in einem weißen Pappkarton

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