Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
bei der Insolvenz pfänden ließ, deutet jedenfalls darauf hin, dass er noch irgendwo Gelder versteckt hat. Bestimmt an so vielen verschiedenen Orten, dass er sie selbst nicht mehr zählen kann.«
Plötzlich kippte die Yacht langsam nach unten und schwang sich dann wieder hinauf in denselben trägen Rhythmus. Ægir musste sich an der Rücklehne der Bank festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
»Wobei seine Frau Karítas einiges wusste. Sie wollte es sogar preisgeben, falls sie im Gegenzug dafür das Geld hätte behalten dürfen, das auf ihren Namen lief. Aber sie hat ihre Meinung geändert und ist bestimmt gut dafür bezahlt worden. Oder sie hat festgestellt, dass das meiste ohnehin auf den Namen ihres Mannes lief und sie nicht viel davon gehabt hätte, das Spiel mitzuspielen.«
»Sie hat ihre Meinung geändert?« Lára ließ die Reling wieder los. »Muss ja ziemlich günstig für sie gewesen sein.«
»Du sagst es.« Ægir nippte wieder an seinem Wein, und ein zufriedener Ausdruck legte sich auf sein Gesicht, der selbst in der Dunkelheit deutlich zu erkennen war. »Trotzdem ist es gelungen, einen Großteil seines Vermögens zu pfänden. Die Yacht zum Beispiel. Wenigstens kann er nicht mehr mit einem Haufen Dienstboten über die Weltmeere schippern. Aber ich zweifle nicht daran, dass es ihm trotz allem gutgeht. Im Vergleich dazu ist unser Leben ein einziger Kampf.«
»Ihre Kleider hängen noch in unserer Kabine im Kleiderschrank. Ich wollte die Koffer auspacken, aber das ging nicht, weil alle Regale voll sind. Ob es ihr egal war, die Kleider zu verlieren? Ich hätte sie ja mitgenommen.«
Ægir hörte auf, seiner Frau durchs Haar zu streichen, und reckte sich nach seinem Weinglas. Er trank einen großen Schluck, bis nur noch ein Rest auf dem Boden des Glases übrig war.
»Die Yacht wurde ohne Vorankündigung versiegelt. Die beiden hatten keine Gelegenheit mehr, etwas von Bord zu holen. Außerdem hat sie bestimmt so viele Klamotten, dass sie es gar nicht merkt, wenn etwas fehlt. Þráinn hat mir zwar erzählt, die Versiegelung sei aufgebrochen gewesen, als er an Bord kam, aber es schien nichts gestohlen worden zu sein. Das Schloss war unbeschädigt, also hat der Einbrecher wahrscheinlich einen Rückzieher gemacht. Vielleicht wurde er gestört oder hat Skrupel bekommen.«
»Vielleicht war es Karítas oder ihr Mann. Jemand, der einen Schlüssel hatte.« Lára trank von ihrem Wein und spähte zum Steuerhaus. Halli war nicht zu sehen. »Karítas wahrscheinlich eher nicht, die hätte bestimmt die Kleider mitgenommen.«
»Ich glaube nicht, dass Karítas diese Kleider braucht. Die wird finanziell ziemlich gut gestellt sein.«
»Auch wenn man reich ist, kann man Sachen haben, die einem gut stehen und die man immer wieder anziehen will. Vor allem so festliche Kleider, wie die da unten.« Lára nahm die Flasche und schenkte Ægir nach. Sie war bei dem Weinseminar nicht so aufmerksam gewesen wie er und goss ziemlich viel ein. »Ob sie mir passen? Ich könnte sie ja zum Zeitvertreib mal anprobieren, wenn mir langweilig ist.«
»Lass sie lieber in Ruhe.« Ægir nahm sein Glas und war ein bisschen verstimmt, als er sah, wie voll sie es gegossen hatte. »Ich möchte nicht mehr Sachen benutzen, als die, die wir unbedingt brauchen.«
Er lächelte.
»Notwendige Dinge wie diese Gläser zum Beispiel. Wir wollen doch den guten Wein nicht aus Kaffeebechern trinken.«
Über ihnen klopfte es laut, und Lára erschrak so sehr, dass sie zusammenzuckte. Fast hätte sie alles vom Tisch gefegt.
»Was war das denn?« Sie schaute hoch und sah, dass Halli am Fenster stand und gegen die Scheibe klopfte. Dann winkte er und bedeutete ihnen, raufzukommen.
Ægir hob die Augenbrauen und blickte zu Lára.
»Was der wohl will?«
»Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.« Lára stand auf und nahm ihr Glas. »Nimm die Flasche mit, es wird sowieso zu kühl hier draußen. Setzen wir uns lieber rein, wenn wir mit ihm gesprochen haben. Im Wohnzimmer ist es bestimmt gemütlicher.«
Sie spähte zu den großen Fenstern im Steuerhaus.
»Dann kann uns dieser Typ auch nicht mehr so anstarren.«
»Hast du vergessen, dass Loftur auf dem Sofa liegt?«
»Den vertreiben wir einfach, indem wir ein bisschen schmusen«, sagte Lára grinsend und gab Ægir einen dicken, langen Kuss auf sein unrasiertes Kinn, bis sie einen Schritt zur Seite machen musste, weil das Schiff heftig schaukelte. Dem Meer schienen ihre Liebkosungen zu
Weitere Kostenlose Bücher