Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
beruhigende Schaukeln der Yacht nicht gewesen wären. Lára wandte ihren Blick von der dunklen Fläche ab und richtete ihn auf Ægirs matt leuchtendes Gesicht.
»Bylgja hat Angst, dass das Boot untergeht«, sagte sie und versuchte zu lächeln, so als fände sie das witzig, schaffte es aber wieder einmal nicht, überzeugend zu wirken. »Ich habe ihr gesagt, dass das unmöglich ist. Stimmt doch, oder?«
»Ja, klar.« Ægir strich mit dem Finger am Stiel des Glases entlang, bis es quietschte. »Natürlich kann es Umstände geben, denen die Yacht nicht standhält, aber dann sprechen wir von heftigen Unwettern oder Zusammenstößen mit anderen Schiffen oder so was.« Er merkte, dass das nicht die Antwort war, die Lára hören wollte. »Aber das ist auf dieser Fahrt nicht vorgesehen. Nichts davon.«
Als ob so etwas jemals auf dem Programm stünde.
Lára wollte nicht weiter darüber reden. Sie wollte auch nicht in die Dunkelheit schauen und daran erinnert werden, wie einsam und verlassen sie waren. Wenn sie die Hoffnung gehabt hätte, in dieser Gegend Lichter von anderen Schiffen zu sehen oder Sterne, die zwischen den Wolken aufblitzten, wäre es etwas anderes. Sie hatten jede Menge große Schiffe und kleinere Boote gesehen, als sie von der portugiesischen Küste losgefahren waren, doch je weiter sie sich vom Festland entfernt hatten, desto weniger waren es geworden, und am Ende waren sie ganz allein auf der Welt.
»Ich würde lieber hinten im Heck sitzen«, sagte Lára und blickte hinauf zu den großen Fenstern des Steuerhauses. »Ich finde es irgendwie unangenehm, zu wissen, dass die drei da oben sind und auf uns runterstarren.«
»Das tun sie nicht.« Ægir schaute zum Steuerhaus, das fast eine ganze Etage über dem Deck lag. »Guck doch mal hin. Da ist niemand. Ich glaube, Þráinn ist schlafen gegangen. Loftur sitzt im Wohnzimmer und liest, also ist Halli alleine auf der Brücke, und man muss nicht die ganze Zeit am Steuer stehen und das Boot überblicken. Das läuft alles mehr oder weniger automatisch.«
Im selben Moment, als Ægir vom Fenster wegschaute, erschien dort Hallis gefärbter Haarschopf. Obwohl Lára sein Gesicht kaum erkennen konnte, wusste sie, dass der Mann sie anstarrte.
»Er schaut uns an«, murmelte sie, aus Angst, er könnte ihr die Worte von den Lippen ablesen. »Was ist eigentlich mit ihm los?«
»Stell dich nicht so an. Er sieht uns noch nicht mal. Er steht im beleuchteten Steuerhaus, und wir sitzen hier draußen im Stockdunkeln. Wenn wir ihn sehen können, heißt das noch lange nicht, dass er uns sehen kann.«
Trotz allem blies Ægir die Spirituskerze in dem kleinen Ständer aus, den er in der Küche gefunden hatte.
»So, jetzt sieht er uns ganz bestimmt nicht mehr. Ich kann dich kaum noch erkennen, obwohl du direkt neben mir sitzt.«
Auch wenn Ægirs Worte vernünftig klangen, hätte Lára schwören können, dass Halli sie anglotzte.
»Er ist mir irgendwie unheimlich. Eben habe ich ihn angesprochen, und er hat so getan, als würde er es nicht merken, hat noch nicht mal aufgeschaut. Hat so getan, als würde er mich nicht hören. Außerdem sagt er nie was und starrt einen nur an, wenn er meint, man würde es nicht sehen. Das macht er auch bei den Mädchen, da bekomme ich echt eine Gänsehaut. Er hat so einen fiesen Gesichtsausdruck. Als wollte er sie am liebsten über Bord schmeißen.«
»Hör auf damit. Das ist ein ganz normaler Typ, der mit Kindern nicht viel anfangen kann. Ich bin noch keinem kinderlosen jungen Mann begegnet, der ein großer Kinderfreund ist. Du solltest dir lieber Sorgen machen, wenn er sich übermäßig für sie interessiert.«
Lára sagte nichts mehr, konnte die Augen aber nicht von Hallis hellblondem Haarschopf lösen. Erst als er vom Fenster wegtrat, entspannte sie sich wieder. Sie schenkte sich Rotwein nach und lehnte sich an Ægir.
»Wie es wohl ist, steinreich zu sein und so zu leben?«, fragte sie.
»Bestimmt schön. Könnte aber auch stressig sein. Stell dir vor, wie sich der Besitzer der Yacht gefühlt hat, als sein Kapital eingebrochen ist. Das muss doch furchtbar sein. Niemand schafft es zweimal, so ein Vermögen anzuhäufen, das muss ihm klar gewesen sein.«
»Hat er denn alles verloren?«
»Nein, bestimmt nicht. Es ist unglaublich, was für einen Hokuspokus man um Geld veranstalten kann. Es hier und da investieren, alle möglichen Firmen und Mittelsmänner dafür nutzen, so dass sich die Zusammenhänge nicht mehr entwirren lassen. Das, was sich
Weitere Kostenlose Bücher