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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Licht andere Fische anlockte. Sie wurden neugierig, wenn sie den Lichtschein sahen, und endeten dann in seinem Maul. Ægir traute sich jedoch nicht, diesen Fisch zu erwähnen, falls er eine Erfindung war, etwas, das Seemänner sich ausgedacht hatten, um Landratten wie ihn zu veräppeln. Die Lügenbarone des Meeres.
    Neben Loftur knarrte ein Gerät, das Ähnlichkeit mit einem Lautsprecher hatte.
    »Jetzt fängt dieser Mist wieder an!«, fluchte Loftur und beugte sich zu dem Lautsprecher hinunter. Für einen Moment war nichts anderes zu hören als der Regen, der gegen die Fenster prasselte, und ihre Atemzüge. Doch dann knackte es wieder, gefolgt von einem anderen Geräusch, das an das Blubbern der aufsteigenden Luftblasen beim Tauchen erinnerte.
    »Ist das das Funkgerät, von dem du eben gesprochen hast?«
    Loftur nickte, während er sich voll und ganz auf das Gerät konzentrierte.
    »Macht es diese Geräusche, weil es kaputt ist?«
    Jetzt war das Gerät ganz still.
    »Ja, ich glaube, es ist kaputt. Eigentlich sollte man nur was hören, wenn jemand sendet. Ich weiß nicht, das ist ein UKW 16, das reicht nicht sehr weit. Kaum bis Sichtweite. Vielleicht empfangen wir Bruchstücke einer Meldung, die nicht für uns bestimmt ist. Laut AIS-Gerät befindet sich jedenfalls innerhalb von dreißig Seemeilen kein Schiff, das könnte also durchaus sein.«
    Loftur sah an Ægirs Gesicht, dass er nicht wusste, wovon er sprach, und erklärte:
    »Das ist ein automatisches Schiffsidentifikationssystem, das Identität, Fahrdaten und Manöver anderer Schiffe angibt. Das AIS-Gerät empfängt diese Daten innerhalb eines Radius von 35 Seemeilen und übermittelt sie. Außerdem benutzen die Küstenwache und die Hafenbehörden es zur Kontrolle.«
    Weitere Knarzgeräusche drangen aus dem Funkgerät, und die Männer starrten es an.
    »Vielleicht ist ja der Sender defekt?«, fragte Ægir und wurde ganz verlegen, als Loftur ihn mit einem Hauch von Achtung im Blick musterte. »Du weißt schon, jemand versucht, eine Meldung durchzugeben, aber es geht nicht, weil bei ihm was kaputt ist.«
    »Denkbar.«
    Loftur schien noch etwas hinzufügen zu wollen, verstummte aber, als sich das Gerät wieder bemerkbar machte. Jetzt war kein Knarzen mehr zu hören, sondern nur noch das Luftblasengeräusch und etwas, das eine Stimme hätte sein können, aber so undeutlich war, dass man überhaupt nichts verstand. Dann trat wieder Stille ein. Dennoch hatte man den Eindruck, als würde immer noch gesendet, als sitze jemand am anderen Ende und starre die Sprechmuschel an. Loftur riss das Mikro hoch.
    »Hallo?« Aus dem Lautsprecher kam keine Antwort. »Hallo, hier Lady K , wir befinden uns 316 Seemeilen nördlich von Lissabon. Bitte melden.«
    Lofturs Englisch war nicht perfekt, aber gut verständlich. Keine Antwort.
    »Bitte melden.« Immer noch keine Antwort. Loftur stellte das Mikro zurück an seinen Platz. »Das muss irgendein Idiot sein.«
    »Ein Idiot mit Zugang zu einem Funkgerät«, versuchte Ægir die Stimmung aufzuheitern. Etwas Unheimliches lag in der Luft – vielleicht war jemand in Schwierigkeiten und konnte keine Hilfe rufen, weil sein Funkgerät kaputt war. Vielleicht war es eine Yacht wie ihre, mit Kindern an Bord.
    »Willst du es noch mal probieren?«, fragte Ægir.
    »Lady K.«
    Sie standen wie erstarrt da und glotzten den Lautsprecher an. Jetzt war die Stimme klar und deutlich zu hören, kein Knacken und keine Luftblasen, nur diese beiden Worte, eindeutig der Name ihrer Yacht.
    »Lady K« , erklang es noch einmal, und jetzt merkte Ægir, warum ihm ein Schauer über den Rücken lief. Die Stimme war grauenerregend, als seien die Worte ein Fluch oder eine unterschwellige Beleidigung. Die Person sprach schleppend, betonte jeden einzelnen Buchstaben und klang keineswegs verzweifelt. Wer auch immer es war, er befand sich sicher nicht in Schwierigkeiten. Das Gerät verstummte, und jetzt war deutlich zu hören, dass die Verbindung abgerissen war.
    Ægir musterte das Bier in seiner Hand und beschloss, nichts mehr davon zu trinken. Seine Phantasie spielte dermaßen verrückt, dass ihm das jetzt überhaupt nicht guttat. Je länger die krächzenden Laute aus dem Funkgerät verstummt waren, umso bescheuerter wirkte das alles. Natürlich war das nur irgendein Idiot, wie Loftur gesagt hatte. Ægir blickte zu dem jungen Steuermann, wollte lächeln oder einen lockeren Spruch ablassen, hielt aber sofort inne. Lofturs Gesicht sah fast genauso aus wie seines: Es

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