Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Reykjavík verhandelt.« Dóra wartete auf weitere Fragen, aber da nichts kam, fuhr sie fort: »Ich weiß, dass das zurzeit alles sehr schwer für Sie ist, aber ich schlage trotzdem vor, dass ich die notwendigen Unterlagen für die Versicherung zusammensuche und den Fall melde. Wir sollten nicht länger damit warten. Falls Ægir und Lára noch lebend gefunden werden, widerrufen wir die Mitteilung einfach. Wenn die Versicherungssumme dann bereits ausbezahlt wurde, muss sie nur zurückerstattet werden, ungeachtet der üblichen Wertminderung.«
»Wir wollen das Geld nicht ausgeben, das haben wir Ihnen ja schon beim letzten Mal gesagt«, warf Sigríður ein und strich sich mit der Hand durchs Haar, so dass es durcheinandergeriet und der graue Haaransatz durchschien. Auf ihrer Bluse prangten zwei auffällige Flecken, und ihre Jeans schienen auch schon länger keine Waschmaschine mehr gesehen zu haben. Margeir sah mit seinen grauen Bartstoppeln und seinem schmutzigen Haar aus, als sei er gerade von einer schweren Krankheit genesen. Das Ehepaar hatte sich definitiv noch nicht wieder gefangen.
»Das Geld gehört Sigga Dögg. Wir würden es nur benutzen, um für sie zu sorgen. Und um die Anwaltskosten für die ganzen Prozesse zu bezahlen.«
»Die Anwaltskosten werden nicht viel ausmachen.«
»Ach, nein?«, schnaubte Sigríður.
Margeir legte seiner Frau beruhigend die Hand aufs Knie, doch Dóra verstand ihre Wut.
»Sie sprachen von Beweisen, die der Mitteilung an die Versicherung beigefügt werden sollen. Was meinen Sie damit?«, fragte er.
»Unterlagen, aus denen hervorgeht, wann die Yacht den Hafen verlassen hat, den Zeitplan, den die Mannschaft bei der Abfahrt festgelegt hat, Informationen über die Route, das Wetter, wo die Yacht zuletzt mit Besatzung und Passagieren an Bord gesehen wurde und so weiter. Außerdem Hinweise darauf, dass die Yacht überstürzt verlassen wurde oder die Leute über Bord gespült wurden, sowie weitere Ermittlungsunterlagen, die ich von der Polizei bekommen kann. Falls sich die Polizei nicht kooperativ zeigt, kriege ich die auch durch einen Gerichtsbeschluss.«
Das Ehepaar wirkte immer besorgter.
»Aber darum kümmere ich mich. Sie haben schon genug Probleme«, beschwichtigte Dóra.
»Ja, das stimmt wohl«, sagte Margeir. »Wir sind kurz vorm … ich weiß auch nicht.«
»Nervenzusammenbruch«, ergänzte Sigríður prompt. Sie errötete leicht und sprach dann in aufrichtiger Trauer weiter. »Ich fühle mich am elendsten, wenn ich Meldungen darüber im Radio höre oder in der Zeitung sehe. Dann muss ich an all die Nachrichten über Todesfälle und Unglücke denken, die ich je in meinem Leben gehört habe, ohne mir darüber im Klaren zu sein, welchen Schmerz sie verursachen. Man denkt natürlich: Die armen Leute und so, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich selbst einmal in dieser Situation bin. Dass wir selbst die armen Leute sind.«
Sie atmete tief durch die Nase ein.
»Aber die Meldungen werden zum Glück weniger«, sagte sie und straffte sich. »Und dann ist da noch etwas, ich weiß, dass es sinnlos ist, aber ich muss andauernd darüber nachdenken, warum alles so gekommen ist. Sie wollten eigentlich nicht mit dem Schiff fahren.«
Sigríður wich Dóras Blick aus. Vielleicht schämte sie sich für diese Gedanken, die doch vollkommen verständlich waren. Niemand erwartete, dass man vernünftig dachte, wenn man trauerte.
»Wenn dieser Seemann sich nicht verletzt hätte, wären sie einfach wie geplant nach Hause geflogen. Und wenn Ægir damals nicht an dem Sportbootlehrgang teilgenommen hätte, wäre er nicht gebeten worden einzuspringen.« Sigríðurs Augen wurden feucht, und sie schwieg für einen Moment. »Und ich hätte noch einen Sohn, eine Schwiegertochter und die Zwillinge.«
Margeir saß reglos da und starrte vor sich hin. Bestimmt hatte er genau dasselbe schon hundertmal gedacht, aber noch nie vor Fremden laut ausgesprochen.
Dóra nahm einen bunten Lego-Stein und hielt ihn dem kleinen Mädchen hin, das plötzlich vor ihr stand. Es starrte den Lego-Stein an, als müsse etwas Tolles passieren. Dóra wusste, dass das Kind ungefähr zwei Jahre alt war. Es wirkte bedrückt.
»Wie nimmt die Kleine das alles auf?«, fragte Dóra. Sie lächelte das Kind liebevoll an, das verwundert zurückschaute. »Vielleicht ist sie ja noch zu klein, um das richtig zu begreifen?«
»Sie versteht überhaupt nichts. Weint jeden Abend wegen ihrer Mama«, antwortete Sigríður und
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