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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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erschauerte. »Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wie erklärt man das einem kleinen Kind? Wir hatten Besuch von einer Kinderpsychologin und einer Sozialarbeiterin, aber die konnten uns überhaupt keinen Rat geben.«
    »Die Situation ist ja auch sehr ungewöhnlich. Es ist höchst selten, dass eine ganze Familie spurlos verschwindet, vielleicht wissen sie auch nicht, wie sie damit umgehen sollen.« Dóra nahm den Lego-Stein wieder von dem Mädchen entgegen. Er schien doch nicht mehr so spannend zu sein. »Ich kann mich zum Beispiel unmöglich in Ihre Lage hineinversetzen und das alles nur bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Eine solche Tragödie sollte niemand erleben müssen. Vielleicht ist es ja gut, dass sie noch so klein ist und nicht richtig versteht, was passiert ist.«
    Sigríðurs Gesicht ließ nicht erkennen, ob sie Dóra zustimmte. Es war völlig erstarrt, die Mundwinkel womöglich dazu verdammt, auf ewig herunterzuhängen. Ihr Mann wirkte noch verzweifelter.
    »Haben Sie schon über die Zukunft der Kleinen nachgedacht? Ich nehme an, Sie wollen zumindest das Umgangsrecht beantragen«, sagte Dóra.
    »Selbstverständlich. Aber wir wissen immer noch nicht, ob wir das Sorgerecht beantragen sollen. Natürlich können wir uns nicht vorstellen, die Kleine nicht mehr bei uns zu haben, aber wir verstehen auch, dass eine andere Lösung wahrscheinlich besser für sie ist. Wie gesagt, gestern und heute Morgen waren diese Fachleute hier, und wir haben den Eindruck, dass sie alles bestimmen werden. Sie nehmen uns das Kind weg, egal, wie sich unsere finanzielle Lage entwickelt. Sie haben es nur noch nicht fertiggebracht, uns das mitzuteilen. Aber ich kann es an ihren Augen ablesen«, sagte Sigríður und betrachtete das kleine Mädchen, das Dóra immer noch schweigend anstarrte. »Leider gibt es keine Onkel und Tanten, die sie aufnehmen könnten. Ægir war Einzelkind, und Lára hat nur diesen unmöglichen Bruder, der niemals als Pflegevater in Frage käme. Láras Eltern sind auch nicht besser gestellt als wir und können die Kleine nicht nehmen. Wir haben uns natürlich mit ihnen getroffen und viel miteinander telefoniert. Láras Mutter ist so deprimiert, dass sie Sigga Dögg noch nicht mal für ein paar Stunden nehmen kann. Ich bete jeden Abend, dass wir sie behalten können, auch wenn das dem Kind gegenüber ungerecht ist. Ich habe aufgehört zu arbeiten, und wir könnten uns gemeinsam um sie kümmern.«
    Grimmig wischte sie sich über die Augenwinkel, so als sei sie wütend auf ihre Trauer.
    »Sie ist nach mir benannt. Es ist so unfair, sie uns wegzunehmen. Wenn sie auch noch aus unserem Leben verschwindet, ist es, als hätten wir niemals Nachkommen gehabt. Als seien all diese Fotos nur geliehen.«
    Sie zeigte auf die Fotorahmen. Das Kind streckte die Hand aus und wollte den Lego-Stein zurückhaben. Dóra legte ihn in die kleine Hand. Am liebsten hätte sie das Kind zu sich genommen und den Großeltern erlaubt, es regelmäßig zu sehen. Aber der Gedanke währte nur ein paar Sekunden – so etwas machte man nicht mal eben, und Dóra war keineswegs in der Lage, noch ein Kleinkind bei sich zu Hause aufzunehmen.
    »Sobald Sie dazu bereit sind, besprechen wir die Sache. Auch wenn die Kleine bestimmt noch eine Weile hierbleiben kann, sollten Sie sich nicht zu lange Zeit lassen. Sobald Ægir und Lára für tot erklärt werden, wird sich das Jugendamt einschalten.«
    Mehr ließ sich dazu nicht sagen. Dóras Meinung nach war es für das Kind das Beste, bei guten Pflegeeltern unterzukommen und regelmäßige Treffen mit den Großeltern zu arrangieren. Sie beschloss, das Gespräch auf dringlichere Themen zu lenken.
    »Es wäre gut, wenn Sie mir noch ein paar Fragen für mein Schreiben an die Versicherung beantworten könnten.«
    Die beiden schienen auch froh zu sein, über etwas anderes reden zu können.
    »Hatten Ægir oder Lára irgendeine ernste Krankheitsdiagnose? Entweder in der letzten Zeit oder vor Abschluss der Lebensversicherung? Falls sie der Versicherung etwas über ihren gesundheitlichen Zustand verheimlicht haben, kann das zu einer Annullierung führen. Und falls sie kürzlich erkrankt sind, könnte die Versicherung das benutzen, um ihren Tod verdächtig erscheinen zu lassen.«
    »Sie waren kerngesund, hatten nie etwas Ernsthaftes«, sagte Margeir ehrlich. »Sie haben beide nicht geraucht und nur in Maßen getrunken.«
    »Gut. Vielleicht können Sie mir den Namen ihres Hausarztes sagen, falls ich gebeten

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