Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Halli.«
Ægir legte den Stecken ab und entwirrte die Leinen, die sich als Gürtel entpuppten, in den man eine Sicherheitsleine einhaken konnte. Er machte Hallis Handgriffe nach, und obwohl es nicht leicht war, die Sicherheitsausrüstung anzulegen, schaffte er es schließlich. Þráinn wollte sich anscheinend nicht festhaken, obwohl Ægir weitere Gürtel in der Kiste gesehen hatte. Vielleicht lag es unter seiner Würde. Der Gurt war ziemlich unbequem, aber Ægir fühlte sich trotzdem wesentlich sicherer damit. Er hatte keine Angst mehr vor dem, was auf ihn zukam.
»Also dann!«, rief er und hob den Stecken wieder auf. Als er das schwere Werkzeug in der Hand hielt, wurde er noch mutiger. Vielleicht stand er letztendlich doch auf der falschen Seite im Leben und hätte sich besser einen Job ausgesucht, bei dem es mehr auf Körperkraft und Männlichkeit ankam als auf Debit und Kredit. Der Windstoß, der ihn erfasste, holte ihn jedoch schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Er überstand die Bö, stieß sich aber so heftig mit dem Ellbogen, dass ein stechender Schmerz durch seinen Arm fuhr. Als sie an der Reling entlanggingen, trat er fest auf, um auf dem glitschigen Deck nicht auszurutschen. Der Regenoverall war wie ein Segel, und der Wind versuchte ihn umzustoßen, konnte sich aber nicht für eine Richtung entscheiden.
»Hak das in die Schlaufe ein«, sagte Þráinn, gab ihm einen Haken und befestigte das andere Ende der Sicherheitsleine an einem Stahlring an der Reling. Anschließend ruckte er einmal fest an der Leine, die an Ægirs Körper herunterhing. Bei Halli sparte er sich den Test.
»Alles bereit?«
Ægir und Halli nickten. Die anschließende Aktion fand Ægir ziemlich sinnlos und unverständlich. Ziel war es, den Container von der Yacht wegzuschieben und gleichzeitig herauszufinden, ob unter der Wasseroberfläche etwas schwamm, das die Schraube oder das Steuerblatt beschädigten konnte, wenn sie losfuhren. Doch wie sehr sie sich auch abplagten und je weiter sie sich über die Reling lehnten, es brachte gar nichts: Der aalglatte, rostige Container, der an der Yacht hing, bewegte sich nicht. Auch nicht, wenn sie gleichzeitig schoben. Der Container blieb dicht bei der Yacht, und der einzige erkennbare Unterschied war der, dass ein paar Pappkartons auftauchten und an der Seite des Containers trieben.
»Der Scheißcontainer ist aufgegangen!« Þráinn holte seinen Stecken ein. »Verdammter Mist!«
»Ist das sehr schlimm?« Ægir holte seinen Stecken ebenfalls ein, froh, seine Arme ein wenig ausruhen zu können.
»Denkbar.« Þráinn wischte sich über die Stirn, damit ihm das Wasser nicht in die Augen lief. »Kommt darauf an, was drin ist und wo sich die Luke befindet.«
»Kann sich das verdammte Ding wirklich verhakt haben?«, fragte Halli, spuckte aus und konnte froh sein, dass ihm der Speichel nicht wieder ins Gesicht klatschte. »Irgendwas stimmt nicht mit diesem Scheißteil.«
»Ich weiß auch nicht, was da los ist. Am Kiel gibt es nichts, woran er sich festhaken kann. Es sei denn, wir haben ein Leck. Das hast du doch gestern Abend abgecheckt, oder?«, fragte Þráinn Halli.
»Da war nichts. Und wenn danach was leckgeschlagen wäre, hätten wir es gemerkt. Das Ding ist so verdammt schwer, das kriegen wir von hier nicht richtig gepackt. Vor allem nicht bei dieser beschissenen Sicht«, entgegnete Halli. Er lehnte sich wieder über die Reling und stemmte den Stecken noch einmal gegen den Container. »Ich gehe gleich runter und überprüfe alles noch mal.«
»Ist es denn wirklich nur ein Container?« Ægir blickte über das aufgewühlte Meer. »Und wo ist das Schiff, von dem er gefallen ist? Sind die nicht verpflichtet, das Ding wieder an Bord zu holen oder dafür zu sorgen, dass es untergeht?«
Þráinn und Halli tauschten einen Blick und grinsten spöttisch.
»So läuft das nicht«, sagte Þráinn und schlug Ægir kräftig auf die Schulter. »Ist aber eine gute Idee. Laut NAVTEX war es nur ein Container. Wenn noch mehr von Bord gefallen wären, wäre eine weitere Meldung gekommen. Darüber müssen wir uns keine Sorgen machen, wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, wie zum Teufel wir das Scheißding loskriegen, ohne was zu beschädigen.«
»Können wir es nicht darauf ankommen lassen? Einfach losfahren und schauen, was passiert?«, fragte Ægir. Er wollte verhindern, dass der Kapitän das vorschlug, wovor er am meisten Angst hatte: mit einem Beiboot an die Bordwand heranzufahren
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