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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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das in der Zwischenzeit mal ab und überlege, was wir machen können. Wir haben ja keine Eile. Wenn wir es schaffen, das Ding zu lösen, kommen wir bei diesem Wetter sowieso nur im Schneckentempo vorwärts. Wir können uns ruhig noch ein bisschen treiben lassen. Das macht doch keinen Unterschied.«
    »Vielleicht nicht, aber ich will es trotzdem hinter mich bringen. Wir sollten nicht länger warten, ich kriege keine richtige Verbindung zum Festland und keinen Wetterbericht. Das NAVTEX hat Sturm angekündigt, und es ist schwer zu sagen, wie lange der anhält. Könnte auch ein paar Tage dauern. Das stimmt nicht mit der ursprünglichen Vorhersage überein, und wir wissen nicht, wie sich der Sturm entwickelt.« Þráinn kippte mehr Kaffee hinunter. »In der Abstellkammer sind Regensachen. Falls ihr keine dabeihabt.«
    So vorausschauend waren Ægir und Halli nicht gewesen – Ægir hatte nicht damit gerechnet, dass seine Reise auf dem offenen Meer enden würde, und Halli hatte wohl gedacht, dass solche Ausrüstung zur Verfügung gestellt würde. Ægir hatte noch weniger Lust, an Deck zu gehen, wenn er irgendwelche alten Regensachen anziehen musste, und sein Appetit verschwand ganz.
    »Ich finde es unverantwortlich, bei diesem Wetter rauszugehen«, sagte Lára und schob Ægirs Hand von ihrem Oberschenkel. »Das kann doch nicht gutgehen!«
    Ihre Augen wanderten zur Tür der Vorratskammer, die inzwischen mit einem Vorhängeschloss versehen war. Þráinn musste sie in der Nacht zugesperrt haben, damit die Mädchen nicht auf die Idee kamen, in die Kühltruhe zu schauen – und vielleicht auch, damit die Erwachsenen nichts anfassten.
    »Warum können wir nicht einfach Gas geben und das Ding abschütteln?«
    Þráinn verzog keine Miene und schaute Lára mit müden, leeren Augen an.
    »Weil das nicht ungefährlich ist. Der Container könnte in die Schiffsschraube geraten oder die Außenhaut beschädigen, und das fändest du bestimmt nicht so toll. Da er bis jetzt noch nicht weggetrieben ist, hat er sich wahrscheinlich am Schiff verkantet, sich festgehakt oder so was, und das beunruhigt mich. Du kannst dir sicher sein, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe.« Um seine Worte etwas abzumildern, fügte er hinzu: »Und du musst keine Angst haben, wenn wir rausgehen. Ich würde deinen Mann nicht mitnehmen, wenn ich es für gefährlich halten würde.«
    »Ich hab mal gesehen, wie ein Mann über Bord gerissen wurde. Ein schreckliches Unglück. Da kam eine Riesenwelle und dann … wusch, und der Mann war weg«, sagte Halli mit vollem Mund. Sein Teller war schon wieder leer. »Aber da war viel schlimmeres Wetter als jetzt.«
    Lára warf ihm einen missmutigen Blick zu und fragte:
    »Und was ist mit dem armen Mann passiert?«
    Halli zuckte die Achseln.
    »Weiß ich nicht. Wir haben ihn nie wieder gesehen.«
    Arna und Bylgja starrten Halli mit großen Augen an.
    »War er tot?«
    »Nein, er ist nicht gestorben. Er wurde von einem Rettungsboot aufgenommen, von einem Schiff ganz in der Nähe«, antwortete Ægir hastig, damit Halli die Mädchen nicht zu Tode ängstigte. Leider hatte er nicht viel Zeit, sich etwas aus den Fingern zu saugen, aber zum Glück gaben sich die Mädchen mit seiner Version zufrieden. Wobei es oft so war, dass sie einfach das glaubten, was sie glauben wollten.
    »Und jetzt esst zu Ende. Ihr müsst was im Magen haben, bevor ihr noch eine Tablette nehmt.«
    Er warf Halli einen bitterbösen Blick zu, damit er nicht auf die Idee kam, das Ende der Geschichte zu korrigieren. Der junge Mann wäre am liebsten im Boden versunken, und durch sein gefärbtes Haar war sein hochroter Scheitel zu sehen. Ægir ignorierte ihn und konzentrierte sich auf seine Töchter.
    »Trinkt eure Milch aus, aber lasst noch ein bisschen im Glas, damit ihr die Tablette runterschlucken könnt.«
    »Igitt!«, jammerte Bylgja. »Die mag ich nicht. Ich will keine Tablette mehr nehmen.«
    Ægir war so froh, dass sie bei einem anderen Thema waren, dass er keine Lust hatte, seiner Tochter zu erklären, die Tablette sei geschmacksneutral.
    »Jetzt esst zu Ende!«, sagte er.
    Das Gerede über diesen armen Kerl, der verschwunden war, erinnerte ihn brutal an das, was sich in der Truhe hinter der Wand befand. Durch seinen Kopf spukten weiße, leblose Finger, die gefroren waren und ins Leere griffen. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und steckte sich den letzten Bissen Brot in den Mund. Wenn er mit gutem Beispiel voranging, würde er die Mädchen eher

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