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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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hatte, und die ständigen Bewegungen des Schiffes ihn nicht mehr so sehr störten wie an den beiden ersten Tagen. Er hatte sogar das Gefühl, sein Körper sei ein Teil dieser Schale geworden, die ihn übers Meer trug. Er passte seine Schritte automatisch dem Wellengang an, als sei er mit der Yacht eins geworden. Ob er Gleichgewichtsprobleme hätte, falls sie wieder an Land kämen? Sein Lächeln erstarb, und er versuchte zu ergründen, woher dieses »falls« gekommen war. Natürlich kämen sie wohlbehalten in den Hafen. Ægir zwang sich, sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
    »Das schafft ihr bestimmt!«
    »Hoffentlich.«
    Halli stand auf, ging zum Fenster und starrte hinaus, als erwarte er, etwas anderes als das endlose Meer zu sehen. Sein Gesicht sah traurig aus, und Ægir fragte sich, ob er auch daran zweifelte, dass sie wohlbehalten in den Hafen kämen.
    »Hoffentlich«, wiederholte Halli.
    Lára rutschte übellaunig auf dem Sofa herum, weil Ægir sich in das Gespräch eingemischt hatte. Sie leckte sich über die Lippen, wie sie es immer machte, wenn sie über den nächsten Schritt nachdachte.
    »Weißt du, wie die Wettervorhersage ist, Halli?«, fragte sie und fügte hastig hinzu: »Ich würde gerne mal mit den Mädchen an Deck, um Luft zu schnappen. Das Wetter muss doch mal besser werden.«
    Halli drehte sich nicht um und starrte weiter aufs Meer.
    »Ich glaube, es bleibt heute den ganzen Tag so. Das ist meistens so. Nur gutes Wetter geht schnell vorbei.«
    Ægir streckte versuchsweise den Arm übers Sofa und nahm Láras Hand. Sie ließ es sich gefallen. Auf dieses Zeichen hatte er gewartet: Bald würde er wieder Gnade finden. Wie üblich hatte er keine Ahnung, wie das genau funktionierte, sondern war nur froh, dass er seine Strafe abgesessen hatte. Die Situation an Bord war schon angespannt genug, da wollte er Lára nicht auch noch mit Seidenhandschuhen anfassen müssen. Als Nächstes setzte er sich neben sie und war erleichtert, als sie es widerspruchslos geschehen ließ. Nun traute er sich, einen Schritt weiterzugehen, lehnte sich an sie und flüsterte ihr eine Entschuldigung ins Ohr. Dann fügte er hinzu, er müsse ihr noch etwas Ernstes, aber Ungefährliches erzählen. Wobei Letzteres nicht wirklich stimmte: So, wie sich die Sache entwickelte, wies alles darauf hin, dass sie an Bord nicht wirklich sicher waren.
    Solange es nur um eine Leiche in der Kühltruhe gegangen war, hatte das sie noch relativ wenig beeinflusst. Das hatte nur etwas mit dem abartigen Lebensstil der Vorbesitzer zu tun. Aber jetzt, da jemand die Leiche über Bord geworfen hatte, war klar, dass dieser Jemand etwas auf dem Kerbholz hatte, die Leiche vielleicht loswerden musste, weil seine DNA-Spuren an ihr waren. Das beunruhigte Ægir, und er musste es Lára sagen. Er wollte vermeiden, dass sie etwas Unbedachtes tat, das dazu führte, dass der Betreffende sich bedroht fühlte. Er schaute in ihre großen, fragenden Augen.
    »Was denn?«, fragte sie ziemlich laut, und Halli drehte sich um, als hätte sie mit ihm gesprochen. Als Lára ihre Frage wiederholte, ohne Halli zu beachten, wandte er sich wieder zum Fenster. »Was? Stimmt was nicht?«
    »Ja, eigentlich schon.« Ægir lächelte zögernd. »Die Leiche ist weg. Sie wurde ins Meer geworfen, als ich getaucht bin. Sie ist an mir vorbeigetrieben. Ich dachte, es wäre Einbildung, aber das stimmt nicht. Die Leiche ist aus der Kühltruhe verschwunden.«
    Lára schnappte nach Luft und schaute ihn flehend an, als wolle sie, dass er seine Worte zurücknähme oder versicherte, es sei ein Scherz gewesen. Anscheinend hatte sie unrealistische Vorstellungen von seinem Humor.
    »Wie kann das sein?« Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang sie auf die Füße und zerrte an ihm. »Wo sind die Mädchen?«
    »Unten. Wo wir sie zurückgelassen haben.«
    Ægir stand auf und verfluchte sich, den Mädchen erlaubt zu haben, unten zu bleiben, aber er wollte vermeiden, dass sie Zeugen des angespannten Umgangs ihrer Eltern wurden. Sie hatten im Bett gesessen und einen Film geschaut, von dessen Tauglichkeit sich weder Ægir noch Lára vorher überzeugt hatten. Der Film hatte sie in seinen Bann gezogen und tat es wahrscheinlich immer noch.
    »Warte hier, ich sehe nach ihnen.«
    Ægir drückte Lára zurück aufs Sofa – obwohl die Mädchen bestimmt nicht in Gefahr waren, wollte er nicht, dass sie mitkam.
    Halli reagierte sofort und riss sich vom Fenster los, was darauf hinwies, dass Þráinn ihn wirklich

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