Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Ehemann gehört hatte, entdeckte Dóra hinter einer Stange mit Hemden eine Scheibe. Sie schob die Hemden zur Seite und sah, dass hinten im Schrank ein mächtiger Safe eingebaut war. Er war natürlich verschlossen, und Dóra versuchte gar nicht erst, die Scheibe auf gut Glück zu drehen. Dennoch überlegte sie, was wohl darin sein könnte – wahrscheinlich Manschetten mit kirschgroßen Diamanten und vielleicht etwas Bargeld. Da weder die Mannschaft noch Ægir und seine Familie in der Lage gewesen sein dürften, den Safe zu öffnen, war es undenkbar, dass sich darin etwas verbarg, das mit dem Fall zu tun hatte. Dóra vermutete vielmehr, dass Karítas wegen des Safes nach Portugal gefahren war – nicht wegen der Kleider oder persönlichen Gegenständen. Wahrscheinlich war er gähnend leer. Nachdem sie die letzte Schublade mit aufgerollten Krawatten, Socken und Gürteln angeschaut hatte, wandte sich Dóra von dem Schrank ab.
Während sie kopfschüttelnd dastand, fiel ihr auf, was sie gestört hatte. Es war nichts Besonderes. Das Holzkästchen, das auf dem Kosmetiktisch gestanden hatte, war verschwunden. Darin hatten nur Fotos und Zeitungsausschnitte gelegen, die Karítas als Erinnerung an ihr süßes Leben aufgehoben hatte. Aber wer würde sich dafür interessieren? Wohl kaum die Polizei. Dóra ging zum Kosmetiktisch und spähte in die Schubladen und Fächer, doch das Kästchen war weg. Sie konnte nicht begreifen, warum jemand in eine luxuriöse Yacht voller kostbarer Gegenstände einbrechen sollte, um es zu stehlen. Die Einzigen, die sich möglicherweise für den Inhalt des Kästchens interessierten, waren Klatschreporter, und die würden bei ihrer Recherche wohl keinen Einbruch begehen.
Im Gang gab es nichts Besonderes zu sehen, und Dóra schaltete das Licht aus und eilte zurück zu Matthias und Snævar. Sie fand die beiden erst nach einigem Suchen weiter unten im Schiff, in einer Kammer für Aqua-Scooter, Angelausrüstungen und andere technische Geräte. An der Wand befand sich eine mächtige Falltür, die sich wahrscheinlich nach außen öffnen ließ, falls man diese Spielzeuge benutzen wollte. Matthias begutachtete den Aqua-Scooter ausgiebig, und Dóra war klar, dass die Männer nicht hier waren, um nach Einbruchsspuren zu suchen. Snævar stand neben der Luke und betrachtete deren Befestigung. Im selben Moment, als Dóra durch die Türöffnung trat, schaukelte die Yacht so plötzlich, dass sie sich in der Türzarge festhalten musste, um nicht hinzufallen. Anschließend war ihre Hand voller Öl.
»Wie läuft’s?«, fragte Dóra Matthias und warf einen kurzen Blick auf den Aqua-Scooter. Dann ging sie zu dem großen Waschbecken, das hinter ihm an der Wand hing, und drehte den Hahn auf.
»Von Karítas’ Kosmetiktisch ist ein Kästchen verschwunden. Nichts Besonderes, deshalb verstehe ich nicht, was der Dieb damit will. Vielleicht dachte er, es wäre Schmuck drin, aber ich habe beim letzten Mal reingeschaut und nur persönliche Papiere gesehen, die völlig wertlos sind.«
Sie drehte ihre Hand unter dem eiskalten Wasserstrahl, und das Becken füllte sich mit Wasser, als sei der Ablauf zu.
»Vielleicht dachte er, es wäre ein Schmuckkästchen. Aber schon komisch, es nicht vorher aufzumachen«, entgegnete Matthias und schnitt eine Grimasse. »Klingt nicht überzeugend. Oder hat die Polizei es heute Morgen mitgenommen? Vielleicht wollten sie alle Wertgegenstände von der Yacht holen, damit nicht noch mal eingebrochen wird.«
»Aber warum nehmen sie dann nur dieses eine Kästchen mit?«
Dóra musterte ihre Hand und befand sie für sauber. Das Wasser lief langsam aus dem Waschbecken ab, und als es fast leer war, versuchte sie, den Stöpsel hochzuschieben. Der kleine Auffang am Ende des Stöpsels war voller blonder Haare, als hätte sich jemand in der Kammer rasiert oder die Haare geschnitten. Dóra zeigte ihn den anderen.
»Wer würde sich denn hier rasieren oder die Haare schneiden?«
Snævar schaute auf und zuckte mit den Achseln.
»Könnte jeder gewesen sein. Vielleicht einer aus der Mannschaft. Das ist garantiert alt und nicht von der Überfahrt nach Island. Hier mangelt es ja wirklich nicht an Waschbecken oder Badezimmern.«
Matthias verzog vor Ekel das Gesicht und sagte:
»Tu ihn wieder rein. Der Einbrecher hat ganz bestimmt nichts damit zu tun.«
Dóra gehorchte und trocknete ihre nassen Hände an ihren Hosenbeinen ab. Dann blickte sie wieder zu Snævar, der immer noch konzentriert die Falltür
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