Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)
Ruhe zu lassen, akzeptieren sollte. Sie sagte dann manchmal Dinge, die sie nicht wirklich meinte, aber es kam auch vor, dass sie genau das meinte, was sie sagte. Diesmal konnte er ihr Verhalten nicht entschlüsseln. Meistens machte alles, was er sagte, die Sache nur noch schlimmer. Es war am besten, den Mund zu halten und den Sturm auszusitzen. Deshalb war er ziemlich wortkarg, und Lára konzentrierte sich auf Halli, der sich bei dieser unerwarteten Aufmerksamkeit nicht besonders wohl zu fühlen schien. Das Gespräch verlief schleppend, denn das Einzige, was Lára über ihn wusste, war, dass er Seemann war.
»Zur See? Ich weiß nicht.« Hallis Wangen waren immer noch röter als sonst, und zwar nicht, weil es besonders warm im Raum war. Es war sogar recht kühl, aber bisher hatte keiner Þráinn gebeten, die Heizung höher zu stellen.
»Kann schon sein.«
»Kommst du vom Land?«, fragte Lára lächelnd und gab vor, nicht zu merken, dass er kein Interesse an der Unterhaltung hatte.
»Nein, aus Kópavogur.«
»Oh.« Lára spielte an ihren Haaren herum und versuchte, sich etwas Neues einfallen zu lassen. »Hast du Familie?«
»Nein, noch nicht.« Halli spähte unter einen Kartenstapel und ließ die oberste Karte liegen. »Ich bin so oft auf See, das wäre zu kompliziert.«
Lára sah ihre Chance gekommen und fragte:
»Willst du denn mal deinen Job wechseln?«
Halli schnaubte.
»Was soll ich denn anderes machen?« Er warf Lára einen irritierten Blick zu. »Man kann auch zur See fahren, ohne so oft weg zu sein wie ich.«
Er vertiefte sich wieder in die Patience und spähte unter die Kartenstapel.
»Auf großen Schiffen wird man besser bezahlt, aber da sind die Touren auch länger. Und dann kommt es natürlich auf den Fang an, manchmal hat man Glück, manchmal nicht. Das gilt für große und kleine Schiffe.«
»Sparst du für irgendwas?«, fragte Lára lächelnd, obwohl er es nicht sah. »Vielleicht für ein eigenes Dach über dem Kopf?«
»Was? Wozu?« Hallis Wangen wurden wieder röter. »Nee, ich spare für was anderes.«
Ægir fühlte sich gezwungen, ihm zu Hilfe zu kommen und das Thema zu wechseln. Das Einzige, was ihm einfiel, war etwas, das ihm auf der Zunge lag, seit sie die Leiche entdeckt hatten:
»Wenn das britische Schiff über diese Frau informiert wurde, ist dann nicht die Hölle los, wenn wir nach Hause kommen? Verhöre und so?«
»Wahrscheinlich.« Halli verspielte seine Chance auf einen Themenwechsel und blieb wortkarg. »Wird sich zeigen.«
Ægir wollte unbedingt verhindern, dass Lára ihm weitere intime Fragen stellte.
»Wie können wir denn unsere Ankunft ankündigen, wenn der Funk nicht funktioniert?«, fragte er.
»Sobald wir uns Island nähern, erscheinen wir auf den Monitoren. Sie sehen uns und treffen dann wahrscheinlich irgendwelche Vorkehrungen. Wir dürfen bestimmt nicht direkt nach Hause, das ist klar. Du kannst es vergessen, deinen Wein unbemerkt an Land zu bringen.«
Ægir rutschte das Herz in die Hose. Eine solche Antwort wollte er nicht hören. Das Letzte, was er bei der Ankunft gebrauchen konnte, waren Polizeiverhöre und scharfe Zollkontrollen. Der Traum von seinem eigenen Bett und dem vertrauten Geruch daheim im Flur verblasste. Warum waren sie nicht einfach nach Hause geflogen, verdammt nochmal? Lára ergriff ihre Chance, als er schwieg, und nahm den Faden wieder auf:
»Und sag mal, wofür sparst du denn?«
Halli machte ein Gesicht, als hätte Lára vorgeschlagen, er solle für sie strippen. Ægir fand es unmöglich, dass sie nicht merkte, dass dieser zurückhaltende junge Mann sich nicht mit ihr unterhalten, geschweige denn, persönliche Fragen beantworten wollte. Normalerweise war sie anderen Menschen gegenüber viel sensibler. Vielleicht hatte der Ärger über Ægir sie verblendet.
»Ich spare für ein kleines Motorboot. Zusammen mit einem Freund.«
»Cool«, sagte Ægir und lächelte Halli, der seine Patience trotz der Schwindelei aufgegeben hatte, aufmunternd zu. Die Yacht schaukelte, und Ægir überlegte, ob er jemals ein Motorboot geschenkt haben wollte. Er hatte die Schnauze voll vom Meer und dem ewigen Geschaukel, und seine einstmaligen Träume vom Anteil an einem kleinen Segelboot waren endgültig vorbei. Das Geld würde jedenfalls für etwas anderes draufgehen. Ein neues Auto, Auslandsreisen, ein schönes Schmuckstück für Lára, irgendetwas, das nichts mit der Seefahrt zu tun hatte. Obwohl sich Ægir mit Hilfe der Tabletten an das Schaukeln gewöhnt
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