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Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition)

Titel: Todesschiff: Ein Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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gebeten hatte, sie zu bewachen. Als Ægir und Lára aufgestanden waren, hatte er sich verwirrt umgeschaut, so als wolle er ihnen den Ausgang versperren. Er hatte sich jedoch wieder beruhigt, als Ægir Lára zurück aufs Sofa gedrückt hatte. Sie stand also unter Verdacht – Ægir hätte die Leiche ja auch nicht über Bord werfen können, während er an der Yacht entlanggetaucht war. Er fand es dermaßen albern, dass der Kapitän auf die Idee kam, Lára könne etwas mit der Leiche zu tun haben, dass er fast laut auflachte. Dann fiel ihm ein, dass er auch als Erstes jemanden aus der Besatzung verdächtigt hatte. Wer einem am nächsten stand, dem traute man nichts Böses zu. Aber die Verbindung zwischen dem Kapitän und seiner Mannschaft war eine andere als die zwischen Lára und ihm. Sie kannten sich seit zehn Jahren, während die Besatzung für eine bestimmte Aufgabe zusammengewürfelt worden war. Vielleicht zeugte es nur von Þráinns Führungsqualitäten, dass er hinter seinen Leuten stand. Oder er war einfach ein Dummkopf.
    »Ich hole die Mädchen, mach dir keine Sorgen, Halli wartet hier mit dir«, sagte Ægir. Er ging langsam aus dem Wohnzimmer und beschleunigte seinen Schritt, als die Tür hinter ihm zugefallen war. Aber er rannte nicht. Dafür war er zu rational. Unter normalen Umständen hätte er sich noch nicht einmal sonderlich beeilt, doch die Situation an Bord ließ sich keineswegs als normal bezeichnen. Erst jetzt gestand er sich ein, dass auf der Yacht eine unheimliche Atmosphäre herrschte, und das hatte nicht nur mit dem Leichenfund zu tun. Es war einfach kein guter Ort. Als er sich der Tür zur Kabine der Mädchen näherte und die Geräusche des Films hörte, atmete er ruhiger.
    Sie saßen noch am selben Platz, nebeneinander, mit kerzengeraden Rücken am Bettkopf. Als Ægir in der Tür erschien, wandten sie den Blick nicht vom Fernseher ab, murmelten aber eine kaum verständliche Begrüßung. Der Film musste ungeheuer spannend sein, denn normalerweise lächelten sie ihn zumindest kurz an.
    »Wird man denn hier gar nicht begrüßt?«, fragte er mit betrübter Miene.
    »Der Film ist so spannend. Wir können jetzt nicht reden.«
    »Den müsst ihr jetzt leider ausmachen und mit zu Mama kommen. Kann man nicht auf Pause stellen?«
    Die Mädchen schauten ihn entsetzt an. Zum tausendsten Mal wunderte er sich über die Faszination der Chromosomen. Er fand es nicht seltsam, dass sie genau gleich aussahen, aber es überstieg sein Begriffsvermögen, wie sich die chemischen Elemente so zusammensetzen konnten, dass sich zwei Individuen genau gleich verhielten. Manchmal bewegten sie sich auf dieselbe Art und Weise, als würden sie an Land synchronschwimmen. Das war so ein Moment. Sie zwinkerten sogar gleichzeitig mit den Augen und runzelten die Stirn.
    »Warum denn?« Natürlich einstimmig. »Er ist doch gleich zu Ende.«
    »Weil das Meer so rau ist, dass wir euch bei uns haben wollen. Ihr könnt den Film jederzeit anschauen, er läuft nicht weg.«
    Die Zwillinge fielen aus dem Takt, Arna verschränkte die Arme, während Bylgja die Beine unter ihren Körper zog und sagte:
    »Wir können ihn nicht jederzeit anschauen, wenn wir ihn jetzt nicht anschauen dürfen.«
    »Du weißt genau, was ich meine. Verdreh mir nicht die Worte im Mund. Eure Mutter wartet oben und macht sich Sorgen, wenn wir nicht bald kommen.« Er hob die Fernsteuerung auf. »Im Wohnzimmer gibt es auch einen Fernseher, ihr könnt da weiterschauen, wenn ihr wollt.«
    Er drehte sich zum Bildschirm und schaltete ihn aus. Im Zimmer wurde es dunkel. »Warum habt ihr denn die Vorhänge zugezogen? Hat sich der Bildschirm gespiegelt?«
    »Nein, wir wollten nicht rausgucken. Das ist ekelhaft«, antwortete Arna.
    »Ekelhaft? Das ist ja wohl nicht das richtige Wort, mein Schatz. Das Wetter ist nasskalt oder kühl. Nicht ekelhaft.«
    »Wir meinen nicht das Wetter.«
    »Nein?« Ægir hob die Augenbrauen. »Was meint ihr denn sonst? Die Wellen?«
    »Nee.« Bylgja schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. »Die Frau. Sie ist am Fenster vorbeigeflogen und ins Meer gefallen. Wir haben sie beide gesehen, als wir runtergekommen sind. Ich hab gesehen, wie du ins Meer gestiegen bist, und wir wollten sehen, wie du tauchst. Wir durften nicht aufs Deck, deshalb sind wir hergekommen und haben aus dem Fenster geguckt. Aber unser Fenster geht in die andere Richtung, und wir haben dich nicht gesehen. Nur die Frau, wie sie gefallen ist. Wir dachten, es wäre Mama, aber dann

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