Todesschlaeger - Ein Golferkrimi
zwei Seiten her medizinisch und technisch untersucht.«
Hier machte Arno Waldmann eine Pause und nahm einen Schluck aus einem schäbig aussehenden Kaffeetopf, der unmittelbar neben dem geöffneten Schädel des Toten gestanden hatte.
Schlosser sah, wie Genko, der neben ihm stand, blass um die Nase herum wurde und schnell in eine andere Richtung schaute. Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und war gespannt auf die weiteren Erklärungen.
»Die erste Untersuchung ging davon aus, dass jemand mit voller Wucht dem Mann den Schläger aus einer Entfernung von einigen Metern an den Kopf geworfen hat. Mich interessierte dabei nicht, wie der Täter überhaupt in den Besitz des Schlägers kam oder was sein Motiv für einen derartigen Wurf gewesen sein könnte. Das herauszubekommen ist euer Bier. Mich interessierte vielmehr, wie die Eintrittsöffnung in der Schädeldecke aussehen würde. Durch verschiedene Versuche an Schädelmodellen, welche in etwa die gleiche Substanz und Härte des Schädels des Opfers hier aufweisen, konnte ich feststellen, dass der Tat‑hergang so in keinem Fall gewesen sein kann.«
»Aha, und warum nicht, Arno?«
»Selbst gesetzt den Fall, dass jemand die Wucht aufbringen konnte, mit der das Schlägerblatt in den Kopf des Opfers eindrang, so steht dem ein anderer Fakt entgegen: Wie ihr hier am Schädel des Opfers sehen könnt, sind links leichte Ausfransungen zu erkennen und rechts ist alles glatt nach innen gedrückt.«
Michael Schlosser beugte sich dicht über den Kopf des Toten, um zu erkennen, was der Pathologe meinte. Dieser zeigte mit einem länglichen Stab auf das Loch in der Stirn des Toten. Danach wandte er sich an einen der Versuchsschädel und zeigte auf das Loch dort, welches allerdings etwas kleiner war und fuhr fort:
»An diesem Objekt seht ihr, dass beide Seiten ausgefranst sind, was bei dem Auftreffwinkel auch normal ist. Also kann der tödliche Aufprall nicht durch einen Wurf entstanden sein.«
Die Stille, die nun folgte, war für ihn greifbar zu spüren. Beeindruckt musterte er die Totenschädel.
»Wenn ich dich also richtig verstanden habe, schließt du den Tod durch einen, und sei es auch noch so zufälligen, Wurf eindeutig aus, Arno?«, hakte er zur Sicherheit nach.
»Genau, Michael!«, bestätigte der Mediziner ernst und fuhr nickend fort: »Deswegen machte ich eine zweite Versuchsreihe. Ich ließ Medizinstudenten mit einem entsprechenden Schläger direkt aus verschiedenen Richtungen auf Versuchsmodelle einschlagen und kam zu folgendem Resultat: Es gibt nur einen einzigen Schlag, der aus kurzer Distanz, also zum Beispiel von jemandem, der direkt vor einem steht, mit kräftigem Schwung ausgeführt worden sein kann – und der sieht so aus.«
Nach dieser Erklärung ging der Pathologe an einen der unzähligen, weiß lackierten Metallschränke, öffnete ihn geräuschvoll und nahm einen Golfschläger, der dem Tatwerkzeug ähnlich sah, heraus, wandte sich wieder dem Modellkopf zu und führte in Zeitlupe den möglichen Schlag vor. Dies wiederholte er mehrmals.
Michael Schlosser durchlief es bei dieser Demonstration eiskalt. Er sah vor seinem geistigen Auge wieder den brutalen Killer, wie dieser mit einem ähnlichen Schläger auf ihn eindrosch und dabei sein linkes Knie zerschmetterte. Hätte damals Genko diesen Mann nicht unschädlich gemacht, wäre er selbst vermutlich mit einem Golfschläger umgebracht worden. Seine Verletzung war damals so schwer gewesen, dass sogar der Verlust seines Beines von den Ärzten in Erwägung gezogen worden war. Nur seine beharrliche Weigerung hatte diesen Eingriff verhindert und so wurde das Kniegelenk mit künstlichen Teilen wieder zusammengeflickt. Seit dieser Zeit hatte er häufig starke Schmerzen und war äußerst wetterfühlig. Kamen die Schmerzen, war er für seine Mitmenschen nahezu ungenießbar – das wusste er, aber er konnte und wollte es nicht ändern. Es war ihm in solchen Momenten egal. Weniger egal war ihm, dass er seit dieser Zeit von seinen Kollegen als unleidlich eingestuft wurde und die meisten von ihnen den Kontakt mit ihm vermieden. Dass er noch im Dienst war und auf die schwierigsten Fälle angesetzt wurde, hatte er lediglich seinen Erfolgen zu verdanken, das wusste er. Nur seinen engsten Mitarbeiter, Genko, schienen seine Launen nicht zu berühren. Er war auch nach seiner monatelangen Krankheit unverändert an seiner Seite geblieben und hatte ihm zudem Mut gemacht, weiter im Polizeidienst zu verbleiben.
Diese
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