Todesschlaeger - Ein Golferkrimi
die Behausung einer typisch mittelständischen Großstadtfamilie war: Ein kleines, eher bescheidenes, sauberes Häuschen mit einem kleinen Garten und zwei großen Obstbäumen auf dem Grundstück. Nachdem er geklingelt hatte, wurde ihm von einer adretten, schlanken Frau geöffnet. Er wies sich betont höflich als Kriminalbeamter aus und wurde arglos hineingebeten. Auf die Nachfrage, wo die Herren Martin und Alexander Suller seien, lachte die Frau kurz auf und teilte ihm mit, dass sie bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem Golfspielen wären.
»Was trägt eigentlich ein Golfspieler für Kleidungsstücke?«, wollte er scheinbar belanglos wissen. »Gibt es da so etwas wie eine Kleiderordnung?«
Sie schaute ihn so offen an, dass ihm schnell bewusst wurde, dass die beiden Männer ihr nichts oder nur Teile der Unterhaltung in seinem Büro erzählt haben konnten.
»Man sollte gepflegt sportlich gekleidet sein. Es sollten nur Hemden mit einem Kragen von Männern getragen werden und die Schuhe müssen eben tauglich sein, also mit Spikes oder Softstollen und so«, erzählte sie munter und lachte. Sie schien den Golfsport bei weitem nicht so ernst wie ihre beiden Männer zu nehmen, stellte er fest.
»Was meinen Sie mit Softstollen?«, hakte er schnell nach.
»Dort im Flur stehen die Schuhe von Alexander. Wenn Sie sich die Sohlen angucken, wissen Sie, was ich meine«, antwortete sie lächelnd und wies auf zwei schwarze, bereits etwas abgetragene Schuhe.
Vorsichtig nahm er einen der beiden Schuhe hoch und betrachtete ihn eingehend.
»Sakra! So sahen, glaube ich, auch die Schuhe aus, die Ihr Sohn gestern Vormittag getragen hat. Stimmt’s?«, setzte er lauernd fragend hinzu, wohl wissend, dass er den Sohn, geschweige denn dessen Schuhe, am Tatort gar nicht zu Gesicht bekommen hatte.
»Sie sehen nicht nur so aus, sie sind es sogar. Sohnemann hat vier Paar davon und jeden Tag, je nach der Farbe der Hose die er trägt, benutzt er ein anderes Paar.«
»Bingo«, grinste er in sich hinein, schaute noch genauer hin und glaubte plötzlich, dunkle Spritzer zu erkennen. Sollten das die gesuchten Blutspritzer sein? Vorsichtig kratzte er an einem der dunklen Punkte und stellte befriedigt fest, dass er sich abschaben ließ.
»Frau Suller, ich werde diese Schuhe leider beschlagnahmen müssen«, eröffnete er der Hausherrin und sah, wie sich ihre Augen schlagartig weiteten.
»Wieso denn das, Herr Kommissar?«, wollte sie, die Hände vor der Brust zusammenschlagend, wissen.
»Wir ermitteln in einem Mordfall und müssen jeder Spur nachgehen. Haben Sie noch Kleidungsstücke, die Ihr Mann oder Ihr Sohn gestern Vormittag getragen haben?«
»Ja, die von meinem Sohn sind noch unten im Waschkeller. Die wollte ich morgen waschen.«
»Würden Sie mir diese bitte zeigen«, forderte er sie auf und fuhr fort: »Ich muss leider auch diese Kleidungsstücke mitnehmen.«
Schweigend und mit noch größeren Augen ging Frau Suller dem Beamten voran in den Keller und suchte aus einem Wäschekorb die fraglichen Kleidungsstücke heraus. Als sie alles beisammen hatte, bat er sie noch um einen Plastikbeutel, den sie ihm ebenfalls wortlos reichte. Sorgfältig packte er alles ein, gab ihr eine Quittung und verabschiedete sich, siegesgewiss lächelnd.
Sichtlich betroffen blieb die adrette, schlanke Frau zurück. Genko sah noch, wie sie mit ihrer kleinen Hand mehrmals gegen den Türstock schlug und ihm lange nachblickte.
6
Als Michael Schlosser am späten Nachmittag das Büro verließ, überlegte er intensiv, ob es sich lohnte, noch einmal unangemeldet bei Leona Wetzlar vorbeizuschauen oder ob er sich zuvor noch mehr Hintergrundinformationen über das Unternehmen der Familie Wetzlar besorgen sollte. Er entschloss sich für letzteres und suchte sich die Privatanschrift von Georg Walden heraus. Dieser Mann musste aufgrund seiner Position, die er bei den Wetzlar-Werken bekleidete, am besten über sämtliche Firmenangelegenheiten Bescheid wissen. Erstaunt stellte er fest, dass dieser weit außerhalb Berlins in der Nähe von Strausberg wohnte. Achselzuckend und leicht aufstöhnend machte er sich auf den Weg, von dem er wusste, dass er mindestens eine Stunde dauern würde. Unterwegs, außerhalb Berlins, kam er durch mehrere kleinere Ortschaften und es berührte ihn wieder einmal unangenehm, wie desolat einige Häuser immer noch waren. Selbst so viele Jahre nach dem Fall der Mauer waren die Folgeschäden von über vierzig Jahre Sozialismus noch zu sehen.
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