Todesschlaf - Thriller
und seine Haare waren völlig damit verklebt. Er hatte Prellungen und Abschürfungen an den Fingerknöcheln, ein paar klaffende Risse in seinem vermutlich einzigen Sportsakko und einen seltsam riechenden Atem. Timmie wusste nur allzu gut, was das zu bedeuten hatte. Entweder war Murphy in eine Auseinandersetzung mit dem einzigen Grizzly im Bundesstaat Missouri geraten, oder er war übel zusammengeschlagen worden.
Timmie ließ sich neben ihm auf die Knie fallen und merkte nicht einmal, dass beim Aufprall auf dem Holzfußboden ihre Nylonstrümpfe restlos zerrissen. »Murphy?«
»Nnngh.«
Wenigstens bekam er seine Augen auf. Timmie warf den Baseballschläger beiseite und tastete nach seinem Puls. Ein bisschen erhöht, aber nicht zu schwach. Nicht langsam und sprunghaft, was auf eine Kopfverletzung hingedeutet hätte. Sie zog die Augenlider nach oben, um sicherzugehen, dass die Pupillen rund waren und auf Licht reagierten. So war es. Außerdem sah sie in deren trügerischem Grün einen Funken des Erkennens aufblitzen. Er war da drin, er hatte sich nur noch nicht entschieden, ob er sich zeigen wollte oder nicht.
»Hallo, Murphy!«, rief sie, als wäre er ein Spielkamerad, den sie ins Freie locken wollte. Sie knöpfte ihm das Hemd auf und lockerte seine Krawatte und untersuchte ihn mit kundigen Händen. Dabei entdeckte sie ein paar dicke Beulen hinter dem einen Ohr, eine beeindruckende, klaffende Wunde am Haaransatz und mehr als eine empfindliche Stelle auf der linken Rippenseite sowie nahe der rechten Niere.
»Na los. Sie haben den ganzen Weg bis zu mir geschafft. Jetzt erzählen Sie mir, was passiert ist.«
Er stieß den Atem aus und zuckte zusammen. Timmie auch. Mit diesem Atem hätte man einen Bunsenbrenner entzünden können.
Sie ließ sich zurücksinken, angewidert von Murphy und von sich selbst. Von ihm, weil er offensichtlich rückfällig geworden und direkt in eine Kneipenschlägerei geraten war, und von sich, weil sie so enttäuscht darüber war.
»Erzählen Sie mir, was passiert ist, oder ich schiebe sie gleich wieder ins Freie«, sagte sie und fing an sich aufzurappeln.
Er schlug die Augen nicht wieder auf. »Erzählen Sie’s mir … ich habe was getrunken.«
»Ich glaube kaum, dass das für Sie eine Überraschung ist.«
Er nickte andeutungsweise und verzog erneut das Gesicht. »Hab es einfach nicht … ohne was Kleines gegen die Schmerzen bis hierher geschafft.«
»Sie sind also zusammengeschlagen worden, bevor Sie sich betrunken haben?«
Das brachte ihn zumindest dazu, ein Auge zu öffnen. »Ich bin nicht betrunken, Leary. Glauben Sie mir, ich kann das beurteilen.«
»Und wie genau sind Sie in diese Prügelei geraten?«
Das Auge klappte wieder zu. Einen Augenblick lang hielt er sich mit der Hand die Rippen. »Hübsches Kleid, Leary. War heute das große Rendezvous?«
Timmie brauchte all ihre Kraft, um ihm keine Ohrfeige zu verpassen. »Sie haben wohl noch nicht genug blaue Flecken, Murphy.Was ist passiert?«
»Ich bin überfallen worden … oh, mein Gott, ich hatte schon vergessen, wie weh das tut.«
»Sie sind überfallen worden?«, fragte sie ungläubig. »In Puckett ?«
»Er hatte Schaftstiefel an.«
Schaftstiefel. Oh Mann.Timmie stieß einen tiefen Seufzer aus und ließ sich auf die Hacken zurücksinken. Die Einzigen, die sie in dieser Stadt bisher mit Schaftstiefeln gesehen hatte, waren Polizisten. »Wo? Wann?«
»Um zehn … glaube ich. Bei mir. Drei, vielleicht auch vier Mann.Aber nach diesem ersten Stiefel ist alles ziemlich verschwommen.«
»Und dann sind Sie hierhergekommen, anstatt die 911 anzurufen, weil sie es nicht mit denselben Bullen zu tun haben wollten, die sie überfallen haben?«
Er brachte ein winziges Lächeln zustande. »Sie haben wirklich in L.A. gelebt, stimmt’s?«
Und trotz allem, was sie an diesem Abend bisher erlebt hatte, musste sie grinsen. »Sie müssen jetzt erst mal gründlich untersucht werden, Murphy.«
»Ich dachte, Sie sind forensische Krankenschwester.«
»Aber ich habe leider keinen Röntgenblick. Ich rufe einen Notarztwagen. Ich darf so etwas nicht privat behandeln. Womöglich haben Sie einen Pneumothorax oder eine verletzte Niere.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Ich habe leider keine entsprechenden Formulare im Haus.«
Er beugte eines seiner Beine, offenkundig, um seine Übelkeit zu bekämpfen, und stöhnte vor Anstrengung. »Ich muss bloß an ein paar Stellen … genäht werden, Leary. Ein bisschen Eis. Keine neue Leber.«
Sie
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