Todesschlaf - Thriller
verpassen wollte. Aber ihre Antwort war so oder so die gleiche.
»Cindy, ich habe fast zehn Jahre lang in Nordhollywood gelebt und im Zentrum von L.A. gearbeitet. Ich glaube kaum, dass die Bürschchen, die hier als Banden durch die Gegend ziehen, besonders harte Jungs sind.Wenn mich jetzt also niemand mehr anruft, dann würde ich gerne ins Bett gehen.«
Damit machte sie Cindy nicht glücklich. »Ich versuche doch nur, dir eine gute Freundin zu sein.«
Timmie seufzte gequält. »Du bist eine gute Freundin.«
»Dann gehe ich jetzt also nach Hause. Ruf mich an, wenn du mich brauchst.«
»Versprochen.« Dasselbe Versprechen hatte sie bereits Ellen und Barb gegeben. Vielleicht bildeten drei solche Versprechen bereits eine kritische Masse. Als sie den Hörer dann schließlich auflegte, hatte Timmie von praktisch jedem Bewohner dieses Städtchens die Nase gestrichen voll. Sie wollte nur noch das Licht ausmachen und sich ins Bett legen und sie alle zum Teufel wünschen.
Sie hatte das Wohnzimmer schon halb durchquert, da hörte sie das Knarren.
Die Veranda. Das erste Dielenbrett nach den Stufen. Es knarrte jedes Mal, wenn jemand versuchte, allzu vorsichtig daraufzutreten. Sie wusste Bescheid. Sie hatte selbst schon an viel zu vielen Abenden versucht, dieses Brett zu überlisten.
Ihr Herz hätte nicht so wummern dürfen. Sie hätte nicht
urplötzlich das Bedürfnis verspüren dürfen, Cindy anzurufen.
Es war nichts. Niemand. Ihre übervorsichtigen Freundinnen hatte es geschafft, ihr Angst einzujagen, und das war total idiotisch. Sie hatte schon mehr als einen dämlichen Einbruchskünstler in einem Kaff wie diesem überlebt.
Knarr. Kratz .
Wie konnte Stille bloß so laut sein? Sie schien ihr in den Ohren zu dröhnen, nur unterbrochen vom Summen des Kühlschranks in der Küche. Es war so still, dass Timmie sich beinahe schwitzen hören konnte.
Sie müsste eigentlich Hilfe rufen. Sie wollte nicht schon wieder ausgelacht werden.
Da war jemand an ihrer Haustür.
Jemand, der anklopfte.
Man konnte es eigentlich kaum Klopfen nennen. Eher so etwas wie ein paar aneinandergereihte, sanfte Kratzer. Unregelmäßig und schleppend.Aus irgendeinem Grund musste Timmie an diese »Schauergeschichten« denken, die man sich am Lagerfeuer gerne erzählte, angefangen von dem Pärchen, das um ein Haar einem entflohenen Mörder mit einem Eisenhaken als Handersatz zum Opfer gefallen wäre bis hin zu dem Mädchen, das in Panik aus dem Liebesnest im Wald flieht und dadurch den Geliebten tötet, weil ein Fremder ihn an einen Baum gehängt und das Ende des Seils an ihrer Stoßstange befestigt hat. Und überall kamen diese unregelmäßigen, schleppenden Geräusche in der ansonsten vollkommen lautlosen Nacht vor.
»Wer ist da?«, rief sie und fühlte sich dabei vollkommen bescheuert.
Sie brauchte doch lediglich aus dem Fenster zu sehen. Sich versichern, dass tatsächlich jemand auf ihrer Veranda war. Die Polizei anrufen.
Sie machte einen Schritt. Und noch einen. Sie hörte ein
gedämpftes Geräusch an ihrer Tür. Es klang wie eine männliche Stimme. Das war der Mann mit dem Haken. Sie wusste es. Oder noch schlimmer. Jason, der endlich beschlossen hatte, sie endgültig zum Wahnsinn zu treiben.
»Was wollen Sie?«, rief sie etwas lauter und fühlte sich jetzt erst recht bescheuert.
Sie zog den Vorhang zurück, um nach draußen zu sehen. Sie erkannte die Veranda, den grau glänzenden Bodenbelag, das saubere, weiße Geländer und die Korbsessel. Den verlassenen Bürgersteig, umrahmt von Doppelreihen mit gelben Chrysanthemen. So etwas wie einen großen, klumpigen Schatten vor ihrer Tür.
»Treten Sie zurück, damit ich Sie sehen kann!«, brüllte sie.
Sie erhielt eine Antwort. Sie konnte sie bloß nicht verstehen. Also griff sie nach dem Baseballschläger und machte die Haustür auf.
Und kreischte los.
Der Schatten hatte nicht etwa neben ihrer Tür gelehnt, sondern direkt an ihrer Tür. Sobald sie die Klinke gedrückt hatte, war die Tür durch das Gewicht weit aufgeschwungen. Timmie sprang rückwärts. Ein menschlicher Körper landete klatschend auf ihrem Fußboden und blieb, alle viere von sich gestreckt, zu ihren Füßen liegen.
»Ach, du Schreck«, keuchte sie ungläubig. »Murphy!«
Und dann erkannte sie, dass er nicht etwa gestürzt war, weil er betrunken war. Er war gestürzt, weil er blutete wie ein abgestochenes Schwein.
14
»Mein Gott, Murphy, was ist denn passiert?«
Sein Gesicht war voller Blut, genau wie seine Hemdbrust,
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