Todesschlaf - Thriller
überraschte.
Es war Cindy. Natürlich, dachte Timmie, und hielt die Tür weit auf, damit sie hereinkommen konnte.
»Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte Cindy, noch bevor die Tür ganz offen war. »Dieses Arschloch hat Schluss gemacht. Schluss gemacht. Nach allem, was ich für ihn getan habe. Timmie, was soll ich bloß machen?«
Timmie sah Tränen über Cindys fleckiges Gesicht laufen, sah ihre zerzausten Haare und dachte: Ach, was soll’s. Das war immer noch einfacher als mit Murphy über ihren Dad zu reden.
»Komm mit, Cindy«, sagte sie und drehte sie unbekümmert zurück in Richtung Vorgarten. »Bringen wir mein Auto in Ordnung.«
»Ich will aber nicht dein Auto in Ordnung bringen!«, jaulte Cindy. DieVerzweiflung ließ ihre Stimme in die Höhe wehen wie einen Vorhang im Wind, dann sank sie zurück in die Tiefe der Depression. »Ich möchte einfach bloß, dass es mir besser geht.«
An jedem anderen Morgen wäre Timmie vielleicht sauer geworden. Aber Cindy hatte echten Kummer. Das hörte Timmie aus jeder einzelnen Silbe.Also lächelte sie und legte ihr den Arm um die Schultern und brachte sie außer Hörweite. Das, was sie zu sagen hatte, brauchte Murphy nicht
zu hören. »Ich weiß, Schätzchen. Aber die Sonne wird dir guttun. Und ich kann dir beibringen, so unabhängig zu werden, dass du nie wieder auf ein anderes Arschloch angewiesen bist.«
»Wenn du das schaffst«, sagte Cindy schniefend, »dann will ich für immer und ewig deine Sklavin sein.«
Es schien zu funktionieren. Nicht nur, dass Cindy Murphy gar nicht bemerkt hatte, es dauerte auch nur zwanzig Minuten, bis sie Cyranos Schwachstelle gefunden hatten und Ellen zu ihnen stieß. Sie hatte die Visitenkarte einer Rechtsanwältin dabei, die nur darauf wartete, ihre Zähne in den Hals krimineller Ehemänner zu schlagen.
»Das habe ich heute morgen beim Aufräumen gefunden«, sagte sie zur Erklärung. »Ich schätze, ich habe selber nie den Mut gehabt, sie in Anspruch zu nehmen, solange es noch möglich war … Cindy, ist mit dir alles in Ordnung?«
Somit bot sich Timmie die perfekte Gelegenheit, im Haus zu verschwinden und zu telefonieren. Die gute Nachricht lautete, dass die Rechtanwältin interessiert war. Die schlechte, dass sie natürlich ein Honorar verlangte. Timmie biss auf die Zähne und erteilte ihr das Mandat, nachdem sie erfahren hatte, dass Jasons neuester schriftlicher Versuch einer Hetzjagd vollkommen gegenstandslos war und blitzschnell aus der Welt geschafft werden konnte, da Timmie das zuständige Gericht in Kalifornien über die Notwendigkeit ihres Umzuges informiert hatte. Timmie legte auf und fühlte sich schon deutlich besser als in der ganzen vergangenen Nacht.
»Haben Sie gewusst, dass Mary Jane Arlington Oberschwester in diesem Pflegeheim in Boston war, das Ihr Goldjunge geleitet hat?«, sagte Murphy ohne jede Einleitung und zog an einer Zigarette, die er unter dem Bett ihres Vaters gefunden haben musste. Dabei machte er sich gleichzeitig ein paar Notizen auf einem Block, der auf seinem Bein lag. »Sie hieß damals zwar Mary Jane Freize, aber sie
ist es. Mein alter Herausgeber schickt mir gleich ein paar Bilder.«
Timmie starrte ihn feindselig an. »Heute ist Halloween«, erinnerte sie ihn. »Erzählen Sie mir das morgen.«
Und so geschah es, dass Timmie, obwohl Murphy an ihrem Telefon saß und ihre Freundinnen in ihrer Einfahrt standen, sich mit nichts weiter zu befassen hatte als mit Cyranos Zündverteiler, der krummen Spule ihrer Nähmaschine und der Tatsache, dass Cindy und Ellen anscheinend nur dann glücklich sein konnten, wenn sie ununterbrochen das alte Spielchen »Mein Liebesleben ist noch verkorkster als deines« spielen konnten.
Und Murphy? Er sah noch ein kleines bisschen zu Furcht einflößend aus, um an die Tür gehen zu können und wurde daher nach Hause gebracht, kaum dass Cyrano wiederhergestellt und Timmies Freundinnen sich verabschiedet hatten. Sämtliche Pluspunkte, die er sich möglicherweise verdient hatte, machte er dadurch wieder zunichte, dass er lächelnd einen Blick auf Timmies hässliches kleines Auto warf und sagte: »Ach, so ein Zufall, ich hab auch ein Cabrio.« Sein Cabrio war aber natürlich kein Peugeot, Baujahr 1983. Es hatte nicht einmal Rostflecken.
Und als sich die Wolken an diesem Abend dem Anlass entsprechend auf gruselige Weise vor einen alten, gelben Mond schoben und die Kürbisköpfe grinsten, ging Timmie mit einer ausgesprochen aufgedrehten Scheherazade in einem
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