Todesschlaf - Thriller
Murphys Auto. »Das wäre keine allzu große Überraschung. Nicht, wenn diese Menschen Verlustbringer waren.«
»Kann ich nicht so sehen«, meinte Murphy, knallte die Fahrertür zu und reichte einen Becher Kaffee auf den Beifahrersitz.
Es war fast schon Mittag, und die Straßen rund um das Donut Hole waren ziemlich befahren, weil viele sich auf den Weg in die Außenbezirke machten, Richtung Highway, wo es richtiges Essen gab. Das Hole lag etwas dichter an der Innenstadt, in einem Gebiet, das von Gebrauchtwagenhändlern und Einkaufszentren dominiert wurde. Es war ein Sanierungsgebiet, in dem die Sanierung nie zum Abschluss gekommen war. Für gewöhnlich trieben sich hier weder Straßenräuber noch andere Kriminelle herum, da die Mitarbeiter der örtlichen Polizeidienststelle auch lieber Donuts als Popcorn aßen.
Und Leary? Sie war zappelig wie ein Frosch auf Speed. Vermutlich aufgrund der langen Untätigkeit im Haus der Clevelands. Aufgrund der viel zu vielen Offenbarungen dieses traurigen Mannes im mittleren Alter, die sie eigentlich gar nicht hatte hören wollen. Murphy sah sie unruhig hin und her rutschen, während sie gleichzeitig mit Kaffee, Donuts und Schmerztabletten jonglierte. Ob sie wohl wusste, wie verdammt zerbrechlich sie aussah?
»Was soll das heißen, Sie können das nicht so sehen?«, herrschte Leary ihn an, während sie ein paar Paracetamol einwarf und mit einem Schluck Kaffee hinunterspülte. »Landry ist skrupellos, und er ist gierig. Er würde alles tun, damit diese Einrichtung ein wirtschaftlicher Erfolg wird, das ist doch klar. Wieso also nicht ein paar alte Knacker um die Ecke bringen, die nur Geld kosten?«
Murphy ließ den Deckel von seinem Kaffeebecher
schnappen und nahm einen langen Schluck, mit dem er sich um ein Haar die Speiseröhre verbrannt hätte. »Ist nicht sein Stil. Er mordet höchstens mit Zahlen. Aber nicht persönlich.«
Leary schnaubte. »Sie wollen doch bloß, dass Alex der Täter ist.«
Murphy musste unwillkürlich lächeln. »Wir wissen jetzt, dass er den Schützen erkannt hat, nicht wahr?«
»Nein, wissen wir nicht«, hielt sie dagegen.Auf der Suche nach ihrer bevorzugten Dosis Cholesterin steckte sie mit der Nase in der Donut-Tüte. »Es könnte doch sein, dass er sein Gesicht gar nicht gesehen hat, bevor wir die Versammlung aufgemischt haben.«
»Wer’s glaubt, wird selig. Er hat ihn gekannt, er wusste, worum es geht, und er will es nicht zugeben.«
»Falsch. So kompliziert ist er nicht.«
»Wir könnten sofort zu ihm fahren und ihn fragen.«
»Das könnten wir, aber nur, wenn wir in New York wären. Er ist heute Morgen zu einer Konferenz gereist, unmittelbar, nachdem er die Schlüssel für seinen nagelneuen Lexus in meinen Briefkasten geworfen hat.«
Murphy griff in die Tüte, deren Öffnung sich direkt neben ihrem Kinn befand, und schnappte sich den ersten Donut, den er in die Finger bekam, ein kleines, längliches Teil mit Zuckerglasur. »Also auch noch Bestechung. Wir nageln ihn fest, sobald er wieder da ist.«
Leary schüttelte den Kopf, immer noch intensiv auf der Suche. »Wir nageln Landry fest, sobald ich herausgefunden habe, wie viele unserer allzu früh Verblichenen in die Kategorie der ›Alteingesessenen‹ gefallen sind«, sagte sie, entschied sich schließlich für einen länglichen Donut mit Schokoladenüberzug und biss herzhaft hinein. »Dann müssen wir noch überlegen, wie wir rauskriegen wollen, ob auch die Angehörigen anderer Familien ein solches Angebot bekommen
haben, oder ob sie einfach eines Morgens nach dem Aufwachen feststellen mussten, dass Oma tot ist.«
An ihrem Kinn klebte Schokolade. Eine ganze Minute lang konnte Murphy nirgendwo anders hinschauen. Ein Tattoo am Hintern und Schokolade am Kinn. Seine Lust war schon wieder voll entfacht, dabei war es erst Mittag. Und was noch schlimmer war, er verspürte den absurden Drang, Leary trösten zu wollen. Diese angestrengte Dünnhäutigkeit, die sich rund um ihre Augen zeigte, zu lindern. Und das machte ihn nicht nur misstrauisch, es machte ihm beinahe schon Angst. Seit zwanzig Jahren hatte er nicht mehr den Drang verspürt, etwas derart Dämliches zu tun.
»Wenn es darum gehen sollte, die Kosten zu drücken«, sagte er dann, ohne den Blick nur eine Millisekunde von diesem kleinen, braunen Klecks zu nehmen, »warum macht er sich dann die Mühe und fragt die Leute vorher erst noch? Wäre das nicht zu viel des Guten?«
Leary nahm noch einen Bissen. »Wer weiß? Vielleicht fährt er
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