Todesschlaf - Thriller
reibungslos ins Bild einfügte. Murphy lächelte ein Journalistenlächeln.
»Ich fürchte, in Bezug auf die … ähh … Überbringer der Nachricht lässt sich nicht mehr viel machen«, fuhr Micklind fort. »Aber auch, wenn niemand anders auf die Idee kommen wird, so möchte ich mich doch für die … Intensität der Botschaft entschuldigen.«
Murphy nickte. »Entschuldigung angenommen. Also, was war das mit Restcrest?«
Micklind kehrte in seine Meditationshaltung zurück, so
lange, bis Timmie sich sicher war, dass sie gleich anfangen würde zu kreischen. »Nichts«, sagte er dann. »Zumindest nichts Offizielles. Man hat uns allen gesagt, dass wir uns so fern wie möglich zu halten haben. Aber …« Er nahm das Notizbuch und wog es in der Hand. »Ich schätze mal, Sie haben all diese Mahnungen einfach in den Wind geschlagen. Und ich will verdammt noch mal wissen, was da los ist.«
»Sie wollen uns nicht dabei helfen?«, sagte Timmie.
»Ich helfe Ihnen doch. Ich sage Ihnen alles, was Victor wusste, und lasse Sie in Ruhe, was ganz gegen meine Anweisungen ist. Außerdem: Wenn in diesem Krankenhaus irgendetwas vor sich geht, dann kann eine Krankenschwester dem sehr viel besser auf die Spur kommen als jeder Polizist.«
Sehr zu ihrem Missfallen musste Timmie zugeben, dass er Recht hatte. »Sonst noch irgendwelche... Warnungen?«
»Ich fürchte, von jetzt an sind Sie auf sich allein gestellt. Aber denken Sie daran, dass Sie - was immer hinter dem allem stecken mag - in ein echtes Wespennest stechen. Sie haben die größte Entwicklungschance, die sich Puckett seit dem Bau der Eisenbahn eröffnet hat, ins Visier genommen. Und das heißt, niemand will, dass Außenstehende erfahren, was hier eigentlich los ist.«
Timmie verzog das Gesicht. »Das haben wir auch schon kapiert. Aber was ist jetzt mit Victor?«
Micklinds Achselzucken war genau so klein und unscheinbar wie sein Lächeln. »Ich würde mich freuen, wenn Sie mich regelmäßig über Ihre Erkenntnisse auf dem Laufenden halten. Angesichts Ihrer Berufserfahrung gehe ich vertrauensvoll davon aus, dass Sie keine strafrechtlich relevanten Fakten unterschlagen.«
Jetzt war Timmie wirklich verblüfft. Großer Gott, der zweite Mensch in dieser Stadt, der tatsächlich anerkannte, dass ihre Ausbildung mehr gebracht hatte als eine Erweiterung
ihrer Kenntnisse über den Gebrauch von Papiertüten. »Worauf Sie sich verlassen können«, sagte sie. »Wollen Sie unsere Theorie hören?«
Micklind holte ein zweites, fast identisches Notizbuch hervor und klappte es auf. »Ja, Madam, ich denke schon.«
Zum ersten Mal schlich sich ein Lächeln auf Timmies Gesicht. »Verraten Sie mir mal was, Detective. Sie stammen nicht aus Puckett, sonst würde ich Sie kennen. Wo kommen Sie her?«
»Aus Chicago.« Sein kurzes, fröhliches Grinsen sagte alles. »Ich habe mich hier niedergelassen, weil ich ein bisschen Ruhe und Frieden gesucht habe.«
Als Timmie und Murphy sich kurze Zeit später an den Tisch setzten, um Victor Adkins Notizbuch durchzulesen, fielen ihnen zwei Dinge auf. Bei seinen persönlichen Überlegungen war Victor vorsichtiger gewesen als bei seinen öffentlichen Befragungen, und Detective Sergeant Micklind hatte dieses Notizbuch nicht einfach nur gefunden. Victors Notizen waren sauber, präzise und objektiv. Micklinds zusätzliche Kommentare tauchten nur gelegentlich und als hastiges Gekritzel auf.
Leider hatte Victor auch nicht sehr viel mehr erfahren als Timmie und Murphy. Er hatte unter unterschiedlichen Vorwänden mit einer ganzen Reihe von Leuten gesprochen, hatte sich durch Van Adders Akten gewühlt und über der Konzession für das neue, umstrukturierte Restcrest gebrütet. Er hatte Familienangehörige aufgesucht und sowohl mit Cindy als auch mit Ellen über ihre Dienste in Restcrest gesprochen, aber außer Verachtung für Van Adder, Respekt für Alex Raymond und Enttäuschung über die Angehörigen war nichts dabei herausgekommen.
Erst auf der allerletzten beschriebenen Seite stieß Timmie auf eine Goldader. Eine Liste mit Namen, fein säuberlich
aufgezeichnet in Victors runder, sorgfältiger Schönschreibschrift. Bekannte Namen mit Angabe des jeweiligen Alters und des Todeszeitpunktes und einem weiteren Datum: dem der Aufnahme in Restcrest.
»Also, das gibt’s doch nicht«, murmelte Timmie vor sich hin, als sie Butch Cleveland fast am unteren Ende der Liste entdeckte und erkannte, was sie da vor sich liegen hatte. »Ich glaube, das ist eine Liste der
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