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Todesschlaf - Thriller

Titel: Todesschlaf - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Dreyer Leo Strohm
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spielte ihm etwa dreißig Takte lang die komplizierteste Melodie vor, die Murphy je gehört hatte. Dann ließ sie das Instrument zurück in den Schoß sinken und klopfte wieder darauf herum.
    Murphy hielt es für klüger, nicht näher zu kommen und lehnte sich an den Türrahmen. So würde sie wenigstens nicht merken, wie unwohl er sich fühlte. »Wollen Sie mir vielleicht erzählen, was los ist?«
    Sie zuckte mit den Schultern und sah ihn immer noch nicht an. »Ich sitze nur hier.«
    »Sie gehen nicht ans Telefon.«
    Sie zuckte erneut mit den Schultern und befingerte das Instrument. Machte ihn dadurch noch nervöser. Das war einfach nicht die Leary, die er kennen und fürchten gelernt hatte.
    »Ich habe Ihren Artikel über meinen Vater gelesen«, sagte sie. »Gute Arbeit.«
    Murphys Überraschung ließ sich nicht verbergen. »Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass Sie ihn lesen.«
    Sie nickte geistesabwesend. »Sie haben Recht. Er hat tatsächlich großen Endruck in der Stadt hinterlassen. Eigentlich bei jedem, den er getroffen hat. Fremde gab es für ihn nicht und jeder Dollar, den er in der Tasche hatte, wurde irgendwo anders noch dringender gebraucht. Meine Mutter hat immer mit ihm geschimpft, weil er seine Lohntüte in die Kneipen getragen hat. Dabei hat er pro Abend nie mehr als einen Drink bezahlt. Aber er hat auch nie einen Hilfesuchenden abgewiesen.«
    »Es tut mir wirklich leid, dass ich ihn nicht schon früher kennen gelernt habe«, sagte Murphy.
    Und, so unglaublich es war, sie lächelte. Sie lächelte ihn wohlwollend an, als hätte das Gespräch des gestrigen Tages niemals stattgefunden. »Sie hätten sich bestimmt gut mit ihm verstanden«, meinte sie dann. »Wahrscheinlich hätte
ich euch beide einen ganzen Monat lang nicht wieder aus dem Saloon zerren können.«
    Murphy spürte wieder dieses Jucken. Er spürte diesen wahnsinnigen Drang, über die Schulter zu sehen, so, als ob das eigentliche Gespräch direkt hinter ihm stattfände. Er wusste nicht, was das sollte. Also ließ er einen Versuchsballon steigen.
    »Wie ich höre, haben wir einen neuen Fall für die Statistik«, sagte er.
    Sie zuckte kurz zusammen, als hätte sie ein Stromkabel berührt. Dann verschloss sie sich noch ein wenig mehr. »Vielleicht ja, vielleicht auch nicht. Ich meine, alle haben gesagt, dass sie alt war und Alzheimer hatte. Vielleicht war es einfach an der Zeit, dass sie geht.«
    Murphy zwinkerte verblüfft. »Ist das Ihr Ernst?«
    Sie blickte zum Fenster hinaus und dann wieder auf ihre Hände. »Ach, wer weiß? Ich denke, es ist einer der großen Irrtümer unserer Zeit, dass so viele Menschen zu wissen meinen, was andere Menschen brauchen oder wollen oder glauben sollen. Ich glaube, ich will das nicht mehr.«
    Das machte ihn erst richtig nervös. »Sie wollen das nicht mehr.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Meine Mutter ist so, und sie hat überhaupt keine Freunde mehr. Nur noch Abhängige.«
    »Und Sie glauben also, dass es darum geht.«
    Noch ein Achselzucken. Noch ein Schweigen.
    »Ich will Ihnen verraten, was ich rausgefunden habe«, sagte sie, als wollte sie einen angefangenen Gedanken weiterführen. »Ein Haufen Leute versucht irgendetwas zu vertuschen, obwohl niemand genau weiß, was eigentlich. Sie glauben, dass in ihrer Altenpflegeeinrichtung möglicherweise Menschen ermordet werden, aber niemand will es genau wissen. Landry nicht, weil es dem Krankenhaus schaden würde. Mary Jane nicht, weil es Alex schaden würde. Davies
nicht, weil es der Forschung schaden würde und Van Adder nicht, weil es vielleicht seinem Abschleppdienst schaden könnte. Ach ja, und die Krankenschwestern auf der Pflegestation auch nicht, weil es ihrem Ruf als guten Krankenschwestern schaden könnte. Aber wissen Sie, welche Begründung ich bis jetzt noch nie zu hören bekommen habe, Murphy?«
    »Welche denn?«
    Sie blickte ihn an und er sah, was ihm bisher verborgen geblieben war.Angespannte, alte Augen, in denen die Scham funkelte. »Wegen der Patienten. Nicht ein Mensch tut das, was er tut, weil es ihm um diese armen, zarten, alten Menschen geht.« Schaudernd holte sie Luft. Schüttelte den Kopf. »Vielleicht, wenn nur eine einzige Person …«
    Erneut schüttelte sie den Kopf und streckte die Beine. Stieg aus dem Bett, als ob ihre Worte eine Handlung erforderten.
    »Leary?«
    »Es geht um diese eine Frage, die wir uns alle stellen«, erläuterte sie. Sie stand am Fenster und schaute auf die Bäume und hielt dabei die Blechflöte wie eine

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