Todesschlaf - Thriller
Erlösung. »Die …«
»Die Große«, sagte Gladys und nickte. »Die Ärztin. Die kann man kaum übersehen.«
»Und Ellen.«
»Sie ist kleiner. Und ihr verstorbener Mann hat sie immer geschlagen.«
Timmie nickte. Sie starrte weiter auf den Zettel und konnte nichts anderes denken, als dass sie Recht gehabt hatte. Sie hatten die ganze Sache von Anfang an von der falschen Seite her betrachtet. Die Ehemänner waren nicht deshalb getötet worden, um den Mord an den Alten zu vertuschen. Sie waren aus demselben Grund wie die Alten getötet worden.
Von einer ihrer Freundinnen.
25
Was sollte sie jetzt machen? Sollte sie Murphy anrufen? Sollte sie Micklind anrufen? Sollte sie ihre Freundinnen zur Rede stellen, die fast alle im Erdgeschoss Dienst hatten?
Mit einem Mal ergab das alles auf schreckliche Weise einen Sinn. Gnadenschüsse, allesamt. Selbst Victor, der innerhalb von fünfzehn Minuten zu einem Häufchen Asche verbrannt war, hatte die ganze Zeit geschlafen. Höfliche, fast schon zögerliche Morde, die aber, so schien es, mit dem steigenden Druck eskaliert waren.
Wie war es wohl zu den ersten Krankenhausmorden gekommen? War es die Erfüllung eines Wunsches gewesen? Ein Gefallen? Ein einfaches Versagen von Geduld und Hoffnung?
Aber darauf kam es jetzt nicht mehr an. Worauf es jetzt ankam war, die Morde zu stoppen, und so wie es aussah, würde wahrscheinlich Timmie dafür sorgen müssen. Sie würde eine ihrer Freundinnen ans Messer liefern müssen, weil eine von ihnen mit Sicherheit eine Mörderin war.
Sie schaffte es tatsächlich, in die Notaufnahme zurückzugehen und noch eine halbe Stunde lang zu arbeiten, bevor sie sich dem Unausweichlichen ergab und sich krank meldete. Alle hatten Verständnis dafür. Mattie wollte sie nach Hause fahren. Timmie schüttelte den Kopf und rief Murphy an.
Murphy, der keine Gefahr darstellte. Murphy, der, obwohl er sie vielleicht nicht verstehen konnte, zumindest ihre Privatsphäre respektieren würde. Murphy, der ihr dabei helfen würde, eines der Gründungsmitglieder der SSS des Mordes zu überführen.
Hinter die geschlossene Tür des Schwesternzimmers gekauert erzählte Timmie ihm kurz, was sie erfahren hatte.
Dann bat sie ihn, zu ihr nach Hause zu kommen und schnappte sich Mantel und Handtasche.
»Bist du sicher, dass du keine Hilfe brauchst?«, erkundigte sich Mattie, als Timmie am Empfangsschalter vorbeikam. Sie hatte die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt.
Mattie stand nicht als Einzige da. Cindy erwartete sie, ebenso Ellen und Barb. Der innere Zirkel der SSS. Timmie schenkte ihrem Publikum ein gequältes Lächeln. »Tut mir leid. Ich habe meine Kräfte überschätzt.«
Timmie sah, dass Mattie nicht hundertprozentig überzeugt war. Das war ihr egal. Sie würde sie rückhaltlos unterstützen, und alles andere hätte Timmie im Augenblick schlicht und einfach nicht ertragen.
Cindy war natürlich immer noch eingeschnappt wegen des Vorfalls am Vortag. Kurz, bevor Timmie außer Hörweite war, hörte sie sie sagen: »Ihre Kräfte, dass ich nicht lache. Als mein Mann gestorben ist, da habe ich am nächsten Tag wieder gearbeitet. Und ich habe ihn geliebt.«
Aus welchem Grund auch immer, aber das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Timmie machte auf dem Absatz kehrt und nagelte Cindy mit einem wütendem Blick fest. »Was für ein netter Zufall, dass du John gerade selbst erwähnt hast«, fauchte sie und ging direkt auf Cindy zu. »Wir haben doch erst kürzlich über ihn gesprochen, stimmt’s, Mattie? Wann wurde er gleich noch mal erschossen, vor drei Jahren? In Chicago?«
»Das weißt du doch ganz genau.«
Cindy machte ein beleidigtes Gesicht. Timmie zuckte mit den Schultern. Sie war so wütend angesichts dessen, was sie nun tun musste, dass sie irgendjemanden treten wollte. Und da sie sich wahrscheinlich in nächster Zukunft eingestehen musste, dass nicht Cindy gelogen hatte, was diese warnenden Anrufe betraf, trat sie eben nach Cindy.
»Nun, das ist ja das Seltsame«, sagte sie. Sie fühlte sich
wie ein Miststück, konnte aber nicht aufhören. »Siehst du, Detective Micklind war viele Jahre Polizist in Chicago.Aber er kann sich nicht daran erinnern, dass dort vor drei Jahren ein John Dunn erschossen worden ist. Er hieß doch Dunn, oder? Du hast deinen Namen doch nicht wieder geändert, nur weil er erschossen worden ist?«
Jetzt starrten alle sie an. Cindy schien sich jeden Augenblick übergeben zu wollen. »Nein. Ich habe meinen Namen noch gar nie
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