Todesschlaf - Thriller
abgeben.
»Also dann«, meinte Ellen und hielt ihr die Tür auf. »Wollen wir uns jetzt ein bisschen amüsieren?«
In der Notaufnahme tobte das Chaos. Es war sowieso schon voll gewesen, aber die Nachricht von dem Busunglück hatte das Personal in wilden Aufruhr versetzt. Krankenschwestern rannten hin und her und schoben vollgeladene Rollschränke von Zimmer zu Zimmer. Ein paar Pflegehelferinnen warfen Infusionsbeutel und steril verpackte Operationsbestecke zu den Türen hinein. Das Funkgerät ratterte und der Computer flimmerte. Timmie verharrte einen Augenblick am Ende des Gangs und sog das Durcheinander ein wie eine frische Brise Seewind. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Ihr Kopfschmerz verschwand und sie lächelte.
Superschwester trat aus der Telefonzelle.
Das Busunglück war erst der Anfang. Als ob ganz Puckett Timmie für ihre Geduld entschädigen wollte, war plötzlich der Teufel los. Verkehrsunfälle, Überdosen, Herzanfälle.
Eine Frau brachte auf dem Rücksitz eines japanischen Kleinwagens ein Kind zur Welt, und ein zehnjähriger Junge hatte sich mit Sekundenkleber Stilettos mit sieben Zentimeter hohen Absätzen an die Füße geklebt. Es war das erste Mal seit ihrer Einstellung, dass Timmie bei der Arbeit sang.
»Meine Liebe, du hast heute Abend eindeutig zu viel Spaß«, sagte Mattie anklagend und reichte Timmie die Akte des nächsten Patienten, eines an die hundertvierzig Kilogramm schweren Mannes, der über Schmerzen in der Brust klagte, und dem ein Pflegehelfer gerade eben auf die Liege half.
Timmie zeigte ihrer Freundin ein breites Grinsen. »Viel zu viel.«
»Oh nein … ooooh nein!«
Timmie und Mattie drehten sich im selben Augenblick um, aber Mattie war näher dran. Sodass sie jetzt auf dem Boden lag, unter dem Patienten, der mit einem Herzstillstand zu Boden gegangen war. Timmie prustete los. Mattie schimpfte, und der Pflegehelfer zerrte an einem Arm.
»Notfall!«, brüllte Timmie um Atem ringend und wuchtete den Kerl mit Hilfe ihrer Schulter von Mattie herunter. »Wie oft soll ich dir das noch sagen, Kleine? Du bist die Krankenschwester, du musst oben liegen.«
»Hauptsache, dir macht es Spaß«, sagte Ellen beinahe schon anklagend, als sie herbeigeeilt kam.
Timmie, die gerade einen Luftschlauch legte, wollte es gar nicht abstreiten. »Jeder Mensch braucht die Gewissheit, dass er irgendetwas sehr gut kann, Ellen. Und das hier kann ich eben sehr gut.«
Auf den Knien leisteten sie Erste Hilfe, und es sah fast so aus, als knieten sie vor einem stark behaarten Altar. Timmie sang immer noch irische Revolutionslieder, und Ellen tätschelte die fleckigen Hände des Patienten. Weder die Erste Hilfe noch die musikalischen Beiträge noch der Trost konnten
ihm jedoch entscheidend helfen. Aber Dr. Chang war die behandelnde Ärztin, auch wenn ihre Schicht fast schon zu Ende war, und sie wollte nur sehr ungern aufgeben, was sie einmal angefangen hatte.
Dann kam Ron mit Warp-Geschwindigkeit zur Tür hereingeschossen. »Township 105 ist mit einem Knuspermännchen auf dem Weg zu uns«, gab er mit schriller Stimme bekannt. »Kann bitte jemand nach draußen kommen und mit denen reden?«
Bis auf Chang sprangen alle auf. »Dreiundzwanzig Uhr eins, Notfallbehandlung eingestellt«, sagte Timmie und zog die Handschuhe ab.
Als Chang sich nicht rührte, beugte sich Timmie nach unten. »Das Triage-Prinzip«, sagte sie leise. »Dieser Kerl hier ist schon jetzt auf dem Weg in den Himmel. Wir müssen uns um das Verbrennungsopfer kümmern, das wir vielleicht noch retten können. Und wenn der Krankenwagen schon unterwegs ist, dann heißt das, dass die Verletzungen so schlimm sind, dass sie ihm vor Ort nicht weiterhelfen konnten. Wir müssen mit der Besatzung sprechen.«
Timmie streckte die Hand aus, doch Chang, eine klein gewachsene Dampframme von Ärztin mit großen Augen, schüttelte den Kopf. Ergriff dann aber trotzdem Timmies Hand und zog sich hoch.
»Du wolltest es so«, sagte Ron anklagend, als Timmie an ihm vorbeirannte.
»Nein«, erwiderte sie mit naivem Grinsen. »Ich habe darum gebettelt.«
»Ich übernehme das Funkgerät«, sagte Chang zu Ron und griff nach dem Kopfhörer. »Dr. Adkins Schicht müsste jeden Augenblick beginnen. Überlassen Sie ihr den Patienten...Township 105, hier Memorial, was gibt’s?«
Timmie rannte los, um noch eine pneumatische Kompressionshose zu holen. Sie holte Morphium aus dem Schrank
und nahm ein paar Infusionsbeutel vom entsprechenden Rollwagen und sang dabei. Sie
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