Todesschrei
abstreiten.«
»Hast du etwas gesehen, das auf Misshandlung deuten würde?«
»Nein. Gran ist immer sehr sauber und scheint ihre Medizin zu bekommen, wenn sie sie braucht. Sie ist an einen Monitor angeschlossen, und einige Schwestern haben Erfahrungen auf Intensivstationen gesammelt. Dieses Pflegeheim ist gut, Vito. Ich habe es sehr sorgfältig ausgesucht, aber ... sie ist meine Großmutter.« »Du könntest ... « Er zögerte. »Was könnte ich?«
»Eine Kamera installieren«, sagte er langsam. »So wie das bei den Au-pairs gemacht wird?«, fragte Sophie.
Er nickte.
»Und weißt du etwas über solche Kameras?«, fragte sie. Er zog den Kopf ein. »Ja, tue ich. Aber mein Schwager Aidan weiß noch mehr darüber. Ich werde ihn fragen.«
»Danke. Falls ich eine bekomme, die ich mir leisten kann, dann werde ich sie sofort installieren. Nur um Onkel Harry und mich selbst zu beruhigen.« Sie lächelte breit. »Und danke für die Sache mit Gran. Du hast sie wirklich glücklich gemacht. Ich weiß gar nicht, warum ich nicht eher auf so etwas gekommen bin. Leute zu bitten, mit ihr über Musik zu sprechen. Aber jetzt muss ich nach Hause. Wann sehe ich dich wieder?«
Vito blinzelte ungläubig. »Jedes Mal, wenn du in den Rückspiegel siehst, zum Beispiel. Ich werde dich heute Nacht nicht allein lassen, Sophie. Hast du nicht zugehört? Munch oder Bosch oder wie immer der Kerl heißt beobachtet dich vielleicht.«
»Ich habe das durchaus gehört. Aber ich erwarte keine Rund-um-die-Uhr-Bewachung. Das ist doch gar nicht praktikabel.«
Vitos Augen blitzten auf, und sie wartete auf seinen Protest. Doch stattdessen wurde sein Blick plötzlich listig. »Aber du schuldest mir noch etwas. Erinnerst du dich? Doppelbonus.«
»Kann ja sein, aber
du
schuldest mir noch etwas für den Übersetzungsdienst vorhin.«
Er grinste. »Ich denke, das könnte man Zinseszins nennen.«
Sie schluckte, als ihr Körper plötzlich zu prickeln begann. »Wir sehen uns bei mir.«
Mittwoch, 17. Januar, 21.25 Uhr
Sie hatte eine Begleitung, was wirklich ausgesprochen ungelegen kam. Er sah stirnrunzelnd, wie Sophie Johannsen im Wagen ihrer Großmutter den Parkplatz verließ, hinter ihr der Truck mit dem Mann, der sie auch ins Heim begleitet hatte.
Er würde warten müssen, bis sie allein war. Er hatte gewusst, dass sie hier auftauchen würde. Vor langer Zeit schon hatte er ihre Finanzen überprüft und die Überweisungen an das Pflegeheim gesehen. Sie zahlte ziemlich viel.
Er hatte gehört, dass die Pflegekosten stetig anstiegen, aber er war dennoch erstaunt gewesen. Er hätte für seine Eltern nie so viel gezahlt. Aber schließlich hatte er auch keine Eltern mehr, daher war die Überlegung müßig. Er wünschte, er hätte hören können, was die beiden gesprochen hatten. Das nächste Mal würde er besser vorbereitet sein. Er hatte in einem geschmeidigen Rundumschlag alle potenziellen Schwachstellen beseitigen wollen, aber das würde ihm heute Abend nicht mehr gelingen. Nun denn. Er konnte sich anders vergnügen. Er blickte über die Schulter auf die Ladefläche, wo der gefesselte und geknebelte Derek Harrington lag.
»Du wolltest doch wissen, wovon ich mich inspirieren lasse«, sagte er. »Jetzt erfährst du es bald.« Er würde es morgen noch einmal mit Sophie Johannsen probieren.
Donnerstag, 18. Januar, 4.10 Uhr
Vito erwachte aus tiefem Schlaf. Vier lange Tage Arbeit und zwei kurze Nächte mit seiner gelehrigen Schülerin hatten ihn erschöpft. Besonders mit seiner gelehrigen Schülerin, die sich sehr rasch an seine Lektionen angepasst und ihn völlig ausgelaugt hatte. Aber nun fühlte er sich erfrischt und begehrte sie wieder.
Er streckte den Arm aus und tastete auf der anderen Bettseite. Leer.
Vito setzte sich mit einem Ruck auf. Sie war fort. Mit hämmerndem Herzen sprang er aus dem Bett. Im Türrahmen blieb er stehen und lauschte. Erleichterung überschwemmte ihn, als er das leise Murmeln des Fernsehers von unten hörte. Er zog seine Hose an und zwang sich, immer nur zwei Stufen auf einmal zu nehmen, anstatt mit einem Satz nach unten zu stürmen.
Sie lag eingerollt auf dem Sofa und hielt einen Becher in den Händen. Zu ihren Füßen schliefen die Hunde, die wie regenbogenfarbene Perücken aussahen. Ihr Kopf fuhr hoch, als sie ihn hörte. Auch sie war nervös. »Ich bin aufgewacht, und du warst nicht da«, sagte er. »Ich konnte nicht schlafen.«
Er blieb neben dem Beistelltisch stehen, auf dem er seine Mappe und das Kunstbuch
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