Todesschrei
und wurde belohnt - in den Augen des Mannes flackerte Interesse auf.
»Warum haben Sie sie nicht als vermisst gemeldet?«, wollte Sawyer wissen.
»Das hätte ich beinahe. Aber der Sheriff meinte, ich sollte meiner Mutter die Würde ihrer Privatsphäre lassen, und es sah wirklich ganz so aus, als wären sie tatsächlich nur auf Urlaub.«
»Und das mit dem Computer hat Sie nicht beunruhigt?«, fragte Lawrence.
»In diesem Augenblick nicht so sehr. Mein Vater kannte sich mit Computern aus. Ich ließ mich also für ein paar Tage beurlauben. Ich wollte die beiden suchen und mich vergewissern, dass mit meiner Mutter alles in Ordnung war.« Er schluckte. »Ich wollte sie noch einmal sehen.« Er berichtete, wie er nach langer Suche schließlich zur Postfachagentur gefunden hatte, erwähnte aber nichts von dem Umschlag, den seine Mutter ihm hinterlassen hatte. Er war nicht sicher, ob er es konnte. »Da wurde mir klar, dass ich wegen der Erpressung die Polizei einschalten musste. Susannah war meiner Meinung. Und deshalb sind wir hier.«
»Wann hat Ihr Vater das letzte Mal eine größere Summe abgehoben?«, fragte Sawyer. »Am 16. November.«
Ciccotelli notierte sich das Datum. »Was haben Sie getan, nachdem Sie das Postfach gefunden hatten?« »Mehr als ich sollte, weniger als ich gewollt hatte. Ich dachte, wenn ich wüsste, wer der Erpresser war ... Ich fragte den Jungen im Laden, wer das Fach gemietet habe. Ich wollte auch den Inhalt des Fachs sehen, aber natürlich ließ sich der Angestellte nicht darauf ein.« Ciccotelli machte eine ungeduldige Geste. »Warten Sie auf einen Trommelwirbel, Agent Vartanian?« »Der Name der Mieterin war Claire Reynolds. Sie hat meine Eltern erpresst und wahrscheinlich umgebracht. Mehr weiß ich nicht.«
Dieses Mal flackerte Ciccotellis Blick nicht. Er blinzelte, ließ sich dann zurücksinken und warf erst seinem Partner, dann seiner Chefin einen Blick zu. Alle um den Tisch herum wirkten verdattert. »Zum Kotzen«, murrte Nick Lawrence. Einen Moment lang schwieg Ciccotelli, dann wandte er sich wieder an seine Chefin. Sawyer hob die Schultern. »Ihre Entscheidung, Vito. Ich habe sie beide überprüft, während ihr alle im Leichenschauhaus wart. Sie sind sauber. Ich würde sie einweihen.«
Daniel sah von einem zum anderen. »Was ? Worum geht's ?« Ciccotelli blickte ihn düster an. »Um Claire Reynolds.« Susannah versteifte sich. »Wieso? Sie hat meine Eltern erpresst, und nun sind sie tot. Was hält Sie davon ab, sie zu suchen und zu verhaften?«
»Sie zu suchen ist nicht nötig. Sie wegen Mordes an Ihren Eltern zu verhaften könnte ein kleines Problem werden«, sagte Ciccotelli. »Sie ist tot. Und zwar seit über einem Jahr.«
Wie vom Donner gerührt starrte Daniel Susannah an, dann schüttelte er den Kopf. »Das kann nicht sein. Sie hat das ganze vergangene Jahr über meinen Vater erpresst. Der Angestellte in der Postfachagentur hat gesagt, sie habe die Miete für das Fach noch letzten Monat pünktlich bezahlt. Bar.«
Ciccotelli seufzte. »Wer immer die Rechnung bezahlt hat - Claire Reynolds sicherlich nicht. Und Sie wissen nicht, wer sonst Ihre Eltern hätte erpressen können?« Susannah schluckte. »Nein.«
»Wissen Sie vielleicht, worauf diese Erpressung beruht?« Daniel schüttelte den Kopf. Aber das entsprach nicht der Wahrheit. Er wusste es. Doch er wusste ebenso, dass auch Ciccotelli ihm Informationen vorenthielt. Aber selbst wenn der Detective ihm die ganze Wahrheit sagte - würde er bereit sein zu verraten, was wahrscheinlich die schlimmste Schande seines Vaters gewesen war?
Und durch ihn auch die meine?
Ciccotelli nahm eine Zeichnung aus einem Ordner und schob sie über den Tisch. »Erkennen Sie diesen Mann wieder?«
Daniel betrachtete das Bild stumm. Der Mann hatte ein hartes Gesicht, einen kantigen Kiefer, hervortretende Wangenknochen. Seine Nase war schmal und scharf geschnitten, das Kinn stumpf. Aber es waren die Augen, die Daniel Gänsehaut verursachten. Sie wirkten kalt, und der Zeichner hatte sie mit einer Grausamkeit versehen, die Daniel aus seinen Jahren bei der Strafverfolgung nur allzu gut kannte. Dennoch kamen ihm die Augen, das Gesicht seltsam vertraut vor.
Unsinn. Der Fund im Postfach hat alte Geister heraufbeschworen.
Aber es waren eben nur Geister. Dieser Mann dagegen war real und hatte seine Eltern umgebracht. »Nein«, sagte er schließlich. »Tut mir leid. Suze?«
»Nein«, erwiderte auch sie. »Ich hatte gehofft, ich würde ihn kennen, aber -
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