Todesschrei
abgeschaltet.«
Der Monitor war schwarz. Doch Daniel legte die Hand auf den Rechner, und ihm stockte der Atem. »Er ist warm und läuft. Jemand benutzt ihn in diesem Moment.« Er schaltete den Bildschirm ein, und gemeinsam sahen sie, wie eine Online-Banking-Oberfläche erschien. Ohne dass einer von ihnen die Maus bediente, bewegte sich der Cursor wie von Geisterhand.
»Oh, verdammt. Das ist ja wie bei einer spirituellen Sitzung oder wie das heißt«, murmelte Frank. »Online-Überweisungen. Jemand hat gerade eine Rate von Dads Hypothek bezahlt.« »Dein Vater selbst?«, fragte Frank verwirrt. »Keine Ahnung.« Daniel presste die Kiefer zusammen. »Aber ich werde es herausfinden.«
Philadelphia, Sonntag, 14. Januar, 14.15 Uhr
Vito starrte die »komische Affenskulptur« mit wachsender Verärgerung an. Er wartete nun schon seit mehr als einer halben Stunde hier, aber Katherines Freundin hatte sich noch nicht blicken lassen. Ihm war kalt, weil er das Fenster heruntergelassen hatte, um frische Luft zu bekommen, und er war frustriert. Der Geruch der unbekannten Leiche klebte in seinem Haar und seiner Nase, und er mochte sich selbst nicht riechen.
Er hatte Katherine ohne Erfolg ein halbes Dutzend Mal anzurufen versucht. Er konnte ihre Freundin nicht verpasst haben. Er war zu früh hier gewesen, und die einzige Person, die er gesehen hatte, war eine Studentin, die etwa fünf Meter hinter seinem Truck auf der Bank an einer Bushaltestelle saß.
Sie sah aus wie um die zwanzig und hatte ewig langes blondes Haar, das ihr bis zum Po reichte, wenn sie stand. Ein rotes Tuch bändigte die Haare am Oberkopf, und zwei dünne geflochtene Zöpfchen baumelten ihr von den Schläfen herab, aber der Rest fielt ihr offen über die Schultern und hüllte sie wie ein Umhang ein. Ihre Ohrläppchen schmückten riesige, goldene Kreolen, und eine Sonnenbrille mit ebenso riesigen, dunkelvioletten Gläsern bedeckte das halbe Gesicht. Um das Maß vollzumachen, trug sie eine alte Army-Tarnjacke, die mindestens vier Nummern zu groß war.
College-Mädels, dachte er und schüttelte den Kopf. Sie blickte die Straße nach links und rechts entlang, bevor sie die Knie anzog, unter ihre Jacke steckte und die Füße in den dicken Militärstiefeln auf die Bank stellte. Wahrscheinlich fror sie. Himmel,
er
fror, und er hatte die Standheizung an!
Endlich klingelte sein Handy. »Verdammt, Katherine, wo warst du denn?«
»Im Leichenschauhaus, um deine Jane Doe ins Bettchen zu bringen. Was ist los?«
»Ich brauche die Handynummer deiner Freundin.« Er sah auf, als es am Beifahrerfenster klopfte. Die Studentin. »Warte bitte kurz, Katherine. « Er ließ das Fenster auf ihrer Seite herunter. »Ja?«
Die vollen Lippen des Mädchens zitterten vor Kälte. »Ähm ... ich warte auf jemanden, und ich denke, dass sind vielleicht Sie.«
Sie war aus der Nähe sogar noch hübscher. Aber wer sich auf diese Art Männern an den Hals warf, bettelte förmlich um eine Abfuhr. »Wirklich toller Anmachspruch, aber ich habe leider kein Interesse. Übe mal lieber bei jemandem deines Alters.«
»Hey!«, rief sie, aber er ließ das Fenster bereits wieder hoch.
»Was war denn das?«, hörte er Katherines amüsierte Stimme durch das Handy.
Vito fand es nicht lustig. »Eine Studentin, die einen älteren Mann angräbt. Deine Freundin ist nicht hier.« »Wenn sie gesagt hat, dass sie kommt, dann tut sie das auch, Vito. Sophie ist sehr zuverlässig.«
»Aber wenn ich dir doch sage - Verdammt noch mal!« Wieder dieses Mädchen, diesmal auf seiner Seite. »Hör mal«, sagte er zu der Studentin. »Ich sagte doch schon, dass ich kein Interesse habe. Und das heißt: Tschüs!« Er wollte auch dieses Fenster schließen, doch sie schlug mit den flachen Händen gegen den Fensterrahmen und krallte ihre Finger in den Rand der hochfahrenden Scheibe. Ihre Handschuhe waren aus dünner Wolle und knallbunt - jeder Finger in einer anderen Farbe - und passten ganz und gar nicht zu der Tarnjacke.
Vito griff gerade nach seiner Polizeimarke, als das Mädchen die Sonnenbrille abnahm und die Augen verdrehte. Strahlend grüne Augen. »Kennen Sie zufällig eine Katherine ?«, fuhr sie ihn an, und endlich erkannte er, dass es sich hier nicht um eine kleine Collegestudentin handelte. Sie war mindestens dreißig, vielleicht ein paar Jahre älter. Er knirschte mit den Zähnen. »Katherine«, sagte er langsam und bedächtig. »Wie sieht deine Freundin aus?« »Wie die Frau, die an deinem Fenster steht«,
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