Todesschrei
Frasier, und warum nicht?«, fragte Van Zandt verärgert.
»Weil das nicht in die Zeit passt. Eiserne Jungfrauen tauchten erst im fünfzehnten Jahrhundert auf. In
meinem
Kerker wird keine stehen.«
»Jeder unserer Spieler wird in
seinem
Kerker eine haben wollen.«
»Weißt du eigentlich, wie lange es dauert, um so was zu -« Er sog die Luft ein. Beinahe hätte er »bauen« gesagt. Es gab keine Eisernen Jungfrauen zu kaufen. Wenn er eine haben wollte, würde er sie bauen müssen, und er dachte ja gar nicht daran, das zu tun. »Jager, ich werde dir eine neue Königin suchen, ich werde die Morgensternszene verschärfen, aber ich werde kein falsches Stück in meinen Kerker stellen.«
Van Zandts Miene verfinsterte sich, als er sich zur Seite lehnte und ein Blatt mit gedrucktem Briefkopf aus einer Ablage nahm. »Hier auf dem Brief lese ich meinen Namen als Präsidenten dieser Firma. Deinen nicht, Frasier. Nirgendwo.« Er warf das Blatt wieder zurück in die Ablage. »Also tu es einfach.«
Er biss die Zähne zusammen und packte seine Laptoptasche. »Na schön.«
Dienstag, 16. Januar, 11.55 Uhr
»Verzeihung.«
Derek blieb, die Lunchtüte in der Hand, auf der Treppe stehen. Hinter ihm erhob sich das Bürogebäude, in dem auch oRo seinen Geschäftssitz hatte. Ein Mann stieg mit einem kleinen Koffer aus einem Taxi. Obwohl er gut gekleidet war, wirkte er, als habe er seit Tagen nicht mehr geschlafen. »Ja bitte?« »Sind Sie Derek Harrington?« »Ja, warum?«
Der Mann betrat die Treppe. In seiner Miene lag Erschöpfung und Verzweiflung. »Ich muss mit Ihnen reden. Bitte. Es geht um meinen Sohn und Ihr Spiel.« »Wenn Sie sich beschweren wollen, dass Ihr Sohn
Behind Enemy Lines
spielt, müssen Sie sich an eine andere Stelle wenden.«
»Nein, Sie verstehen mich falsch. Mein Sohn spielt gar nicht. Ich glaube, mein Sohn ist
in
Ihrem Spiel.« Er zog ein Foto aus seiner Tasche. »Ich heiße Lloyd Webber und komme aus Richmond, Virginia. Mein Sohn Zachary ist vor ungefähr einem Jahr weggegangen. In seinem Abschiedsbrief stand, er wolle nach New York. Wir haben nie wieder von ihm gehört.«
»Das tut mir sehr leid, Mr. Webber, aber ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun hat.«
»In Ihrem Spiel gibt es eine Szene, in der einem jungen deutschen Soldat in den Kopf geschossen wird. Der Junge sieht genauso aus wie mein Zachary. Ich dachte, er hat vielleicht für Ihren Zeichner Modell gestanden, also habe ich mir Ihre Firmenadresse herausgesucht. Bestimmt haben Sie die Models, mit denen Sie gearbeitet haben, irgendwo vermerkt. Bitte sehen Sie nach, Mr. Harrington. Vielleicht ist mein Sohn ja noch in New York.« »Wir stellen keine Models ein, Mr. Webber. Tut mir leid.« Derek setzte sich wieder in Bewegung, aber Webber vertrat ihm hastig den Weg.
»Sehen Sie sich das Bild doch bitte nur einmal an. Ich habe versucht, Sie anzurufen, aber Sie wollten nicht mit mir sprechen. Also habe ich mir ein Flugticket gekauft und bin hergekommen.
Bitte.«
Er hielt ihm das Foto hin, und Derek seufzte. Der Mann tat ihm leid. Er nahm ihm das Bild aus der Hand.
Und holte erschreckt Luft.
Dasselbe Gesicht.
»Ein ... ein gutaussehender Junge, Ihr Sohn.« Er sah auf und entdeckte Tränen in Webbers Augen.
»Sind Sie sicher, dass Sie ihn noch nie gesehen haben?«, flüsterte der Mann.
Derek war schwindelig. Er hatte vom ersten Augenblick gewusst, dass Frasier Lewis' Arbeiten eine nur allzu realistische Komponente besaßen, aber das, was ihm nun durch den Kopf ging ... »Kann ich das Foto Ihres Sohns haben, Mr. Webber? Ich könnte es dem Personal zeigen. Wir verwenden wirklich keine Modelle, aber vielleicht hat ihn jemand irgendwo gesehen. Im Restaurant vielleicht oder im Bus. Wir holen uns überall Anregungen für unsere Figuren.«
»Bitte, behalten Sie das Bild. Es ist nur ein Abzug, und ich kann Ihnen mehr davon besorgen, wenn Sie wollen. Zeigen Sie es jedem, der vielleicht helfen kann.« Mit zitternder Hand hielt er Derek eine Visitenkarte hin, und dieser nahm sie entgegen. »Meine Handynummer. Sie können mich Tag und Nacht anrufen. Ich bleibe in der Stadt, solange es nötig ist.«
Derek blickte auf das Foto und die Karte. Frasier Lewis musste noch oben bei Jager sein. Er konnte ihn direkt und ohne Umschweife mit dem Bild konfrontieren. Aber er war sich nicht sicher, ob er die Wahrheit wissen wollte.
Sei ein Mann, Derek. Steh verdammt noch mal endlich für etwas ein.
Er sah auf und nickte. »Ich rufe Sie in jedem Fall an, ob ich
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