Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition)
schlafen würde – es sei denn, er hatte Aufputschmittel genommen.
Verdammt. So viele Fragen, so wenige Antworten. Grangeland fühlte sich in ihrer gegenwärtigen Situation verwundbar, vor allem von Süden her. Die Bäume mit ihren überhängenden Ästen behinderten ihre Sicht nach draußen. Wenn man alle Gegebenheitenin Betracht zog, war die Nordseite des Hubschraubers der beste Platz. Oder vielleicht doch nicht? Vielleicht sollte sie sich zwischen den Bäumen verstecken, wo man sie nicht sehen konnte. Aber dann fiel ihr der Kopfhörersatz ein, mit dessen Kabel sie sich nicht weiter als eineinhalb Meter vom Hubschrauber entfernen konnte. Sie musste also bleiben, wo sie war. Wenn Leonard Bridgestone sie sah, konnte sie nichts machen. Aber zum Glück beobachtete die Luftwaffe diesen Ort und würde sie warnen, falls sich jemand näherte.
Außer natürlich bei einem Satellitenblackout.
Sie sah auf die Uhr und ärgerte sich, dass sie nicht wusste, wann dieses Ereignis stattfinden würde. Fing der Blackout gerade an oder war er schon vorbei? Wie standen die Chancen, dass Leonard ausgerechnet während des Blackouts hier eintreffen würde? Um sich abzulenken, versuchte sie, diese Wahrscheinlichkeit zu berechnen. Dreißig Minuten innerhalb von drei Stunden, das ergab eine Chance von eins zu sechs. Würde sie bei solchen Aussichten ihr Leben riskieren? Um Gottes willen, nein. Sie widerstand dem überwältigenden Drang, sich umzusehen.
Beruhige dich
, sagte sie zu sich selbst,
du bist einfach nur überängstlich.
Außerdem trug sie ja unter der Windjacke eine schusssichere Weste, da konnte nicht viel passieren.
Nur einen Augenblick später traf ein unsichtbarer Gegenstand, der sich wie ein Ziegelstein anfühlte, mit voller Wucht ihren Oberkörper. Gleichzeitig hörte sie einen lauten Knall.
Es fiel ihr schwer, die Wahrheit zu akzeptieren.
Bevor sie in Ohnmacht fiel, sah sie noch, wie Ernie sich unter den Hubschrauber beugte und sie mit dem Knebel im Mund angrinste.
Das Echo des Gewehrschusses hallte durch den Canyon und prallte von Tausenden exponierten Felsvorsprüngen ab. Nathan und Harv warfen sich gleichzeitig zu Boden.
Nathan drehte sich in seiner liegenden Stellung um. »Harv!«
»Mir ist nichts passiert.«
Nathan drückte auf die Ruftaste. »Grangeland, hören Sie mich?«
Keine Antwort.
»Grangeland, hören Sie mich?«
Wieder nichts.
»Harv, komm her. Ich glaube, Grangeland hat’s erwischt.«
Harv rannte geduckt zu Nathan hinüber und ging in Deckung.
»Das war ein Gewehr, keine Pistole.«
»Du hast recht«, sagte Harv.
»Ich gehe zurück. Bleib hier und halt den Kopf unten.«
»Sie ist tot, Nate.«
»Ich gehe trotzdem zurück. Von jetzt an absolute Funkstille. Wir müssen davon ausgehen, dass Grangelands Funkgerät in feindliche Hände geraten ist.« Nathan wusste, dass eine Frequenzänderung nichts bringen würde – die Geräte verfügten über Scanner und würden automatisch auf einen Kanal umschalten, der gerade benutzt wurde.
»Wir sollten beide gehen.«
»Harv, das Endspiel findet an dieser Felsformation weiter unten im Canyon statt. Hier laufen alle Fäden zusammen. Ernie wird Leonard erzählen, dass nur wir beide hier sind. Sie werden versuchen, uns zu beseitigen und sich das Geld unter den Nagel zu reißen. Leonard weiß, dass das Geld futsch ist, wenn er es sich jetzt nicht holt. Ohne die Kohle geht er hier nicht weg.«
»Scheiße«, sagte Harv.
»Ich bleibe auf der Nordseite des Canyons und versuche, sie auf die andere Seite zu locken. Ich glaube nicht, dass Leonard einen Ghillie-Anzug hat, aber eine normale Tarnuniform hat er bestimmt. Ernie kann man in seinen Zivilklamotten schon leichter sehen. Halte dich versteckt und warte auf mich.«
»Nathan …«
»Egal, was passiert, ich bleibe auf jeden Fall auf der Nordseite. Wenn sie dich sehen und unter Beschuss nehmen, gib drei schnelleSchüsse mit der Sig ab und bleib, wo du bist. Ich komme dann sofort.«
»Nathan.« Harv schüttelte den Kopf. »Mann, wir sind wie Brüder. Mehr sogar. Das wollte ich dir nur mal sagen …«
Nathan packte seinen Freund an den Schultern. »Behalte einen kühlen Kopf. Wir werden gewinnen.« Nathan lud sein Gewehr durch und ließ eine Patrone in die Kammer gleiten. »Gegen uns haben die keine Chance.«
Er versuchte, nicht an Grangeland zu denken, sondern konzentrierte sich darauf, sich lautlos fortzubewegen. Er huschte von Baum zu Baum, Busch zu Busch, Fels zu Fels und arbeitete sich auf diese
Weitere Kostenlose Bücher