Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition)
Weise flussaufwärts nach Westen, stets darauf bedacht, verborgen zu bleiben. Einmal musste er im sandigen Bett eines Nebenflusses auf dem Bauch durch offenes Gelände robben. Er hasste diese Exponiertheit, obwohl sein Ghillie-Anzug ihn nahezu unsichtbar machte. In diesem zehn Meter breiten Abschnitt gab es nur vereinzelte Büsche, die Deckung boten. Aber er musste da durch, denn vom gegenüberliegenden Ufer aus hatte er einen Blick aus dreihundert Metern Entfernung auf den Hubschrauber, und zwar durch die Bäume auf dessen Ostseite. Wenn es Grangeland erwischt hatte, war Ernie höchstwahrscheinlich längst über alle Berge. Bestimmt würde er Leonard alles erzählen, was er über die Leute wusste, in deren Gewalt er sich befunden hatte. Das bedeutete, dass Leonard nun über ihre Bewaffnung und Kleidung Bescheid wusste, und auch darüber, welche Richtung sie eingeschlagen hatten. Er hoffte, dass die Dreckskerle seinen Hubschrauber nicht kaputt gemacht hatten. Aber wahrscheinlich hatte Leonard seinen Bruder nur schnell befreit und sich mit ihm an einen sicheren Ort zurückgezogen.
Sobald er das sandige Flussbett hinter sich hatte, kroch Nathan die letzten paar Meter durch dichtes Gestrüpp und Eichenlaub, wobei er sorgfältig darauf achtete, nicht gegen Büsche oder tote Äste zustoßen. Außerdem hielt er die Augen nach Ameisen offen. Durch einen Haufen Feuerameisen zu kriechen, war keine gute Idee. Plötzlich spürte er ein Stechen und eine feuchte Stelle am rechten Arm. Die Nähte waren geplatzt und die Wunde blutete wieder.
Nathan verdrängte die wieder aufflammenden Schmerzen, nahm all seinen Verstand zusammen und versetzte sich in Leonards Gedanken.
Ich liege hoch oben auf der anderen Seite des Canyons versteckt, die Sonne in meinem Rücken. Der Gegner weiß, dass ich hier bin, denn er hat meinen Schuss gehört. McBride wird zurückkommen, um nach Ernie und der Frau zu sehen. Sobald er in der Nähe des Hubschraubers ist, erschieße ich ihn von meinem Felsvorsprung auf der Südseite des Canyons aus.
Da hast du dich gewaltig geirrt, Leonard. Tut mir leid, aber ich muss dich enttäuschen.
Tief im Schatten, wo man ihn nicht sehen konnte, hob Nathan langsam das Gewehr, legte es an und öffnete die vordere und hintere Verschlusskappe des Zielfernrohrs. Grangeland lag dreihundert Meter entfernt auf dem Boden, mit dem Rücken zu ihm. Nathan hielt das Gewehr ruhig und versuchte zu erkennen, ob sie noch atmete. Vergeblich. Sie sah aus wie ein lebloses Bündel. Augenblick … da bewegte sich was. Ihr linker Arm. Für einen kurzen Moment hob sie die Hand und ließ sie wieder fallen. Nathan behielt sie im Auge und sah, wie sie sich ein zweites Mal bewegte.
Sie lebte also noch.
Und Ernie war natürlich verschwunden. Wut flammte in ihm auf, aber er verdrängte sie und schwenkte den Lauf seiner Waffe langsam in einem Bogen, der einen Hundert-Meter-Radius mit dem Hubschrauber im Zentrum abdeckte. Nichts. Nicht die geringste Bewegung. Wenn er sich jetzt dem Hubschrauber näherte, würde er mitten in die Falle laufen. Es wäre sicherer Selbstmord. Er konnte auf keinen Fall zu Grangeland hinüberrennen und sich um sie kümmern. Schon gar nicht, wenn ein geübter Schütze wie Leonard in der Nähe war.
Als er so dalag und an Grangelands ausweglose Situation dachte, fingen die Wunden an seinem Arm und seinem Bein an, wieFeuer zu brennen. Nathan biss die Zähne zusammen, zog sich von seinem Standort zurück und suchte hinter einem umgestürzten Baumstamm Deckung. Hier war er vor Schüssen vom Südrand des Canyons sicher. Er konnte Grangeland nicht verlassen, konnte ihr aber auch nicht helfen. Vor seinem inneren Auge sah er, wie Leonard ihn durch sein Zielfernrohr musterte.
Zu diesem Spiel gehörten zwei …
Nathan manövrierte sich in Zeitlupentempo in eine Schneidersitzposition und benutzte den Baumstamm als Unterlage für den mit Stoff umwickelten Lauf seiner Waffe. Dann suchte er mit dem Zielfernrohr langsam die andere Seite des Canyons von oben bis unten ab und achtete dabei ganz besonders auf Felsen, die im Schatten lagen.
Da! Etwas Weißes blitzte auf.
Das konnte Ernies T-Shirt sein. Er schwenkte den Gewehrlauf zurück und konzentrierte sich auf eine Stelle, wo zwei riesige umgestürzte Kalksteinplatten ein schmales Dreieck formten.
Da! Schon wieder!
»Jetzt hab ich dich«, flüsterte Nathan.
Durch das Nikon-Zielfernrohr beobachtete er, wie Ernie sich langsam erhob und wieder duckte. In seiner gesunden Hand hielt
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