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Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition)

Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition)

Titel: Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Peterson
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empfindet.«
    »Muss man nicht davon ausgehen, dass Leonard genauso vernachlässigt wurde?«, fragte Henning. »Und müsste er dann nicht an derselben Störung leiden?«
    »Ja und nein. Ich glaube, er wurde vernachlässigt, aber manche Menschen schaffen es, dieses Trauma intellektuell zu verarbeiten. Mein Vater ist ein gutes Beispiel dafür. Er kam aus einem kaputten und gewalttätigen Elternhaus, wurde aber trotzdem ein nützliches Mitglied der Gesellschaft. Immerhin hat er Medizin studiert und ging dann als Fliegerarzt zur Marine. Außerdem war er mir und meinen Geschwistern ein liebevoller Vater. Er hat also diesen Teufelskreis durchbrochen. Manche schaffen es, andere nicht, oder genauer gesagt, sie wollen es nicht. Sie rechtfertigen ihr negatives Verhalten damit, dass sie anderen die Schuld geben. Diese Opfermentalität, wenn man es so nennen will, wird dann Teil ihrer Persönlichkeitsstörung.«
    Nathan gab mit einem Nicken zu erkennen, dass er verstanden hatte. »War Ernie in der Lage, mit jemand anders als seinem Bruder eine funktionierende Beziehung zu pflegen? Immerhin war er verheiratet.«
    »Die Antwort lautet Ja, aber es kommt darauf an, was Sie unter funktionierend verstehen.«
    »Könnte er zum Beispiel einen anderen Menschen lieben?«
    »Darauf müsste ich mit Nein antworten. Zumindest nicht auf die Art und Weise, wie wir uns das vorstellen. Seine Art von Liebe wäre von Handlungen abhängig und nicht von Gefühlen. Ich will Ihnen mal ein Beispiel geben. Nehmen wir an, Ernie kommt von der Arbeit nach Hause und seine Frau hat die Küche nicht sauber gemacht, weil sie müde war oder einen schlechten Tag hatte oder was auch immer. Ernie würde das dreckige Geschirr im Spülbecken als Beweis interpretieren, dass sie ihn nicht liebt. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Nathan nickte. »Eine verzwickte Situation. Egal was sie tut, es reicht nie, um ihre Liebe zu beweisen.«
    »Ganz genau. So eine Beziehung ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Was sie auch unternimmt, es ist nie gut genug, weil es zwischen den beiden keine emotionale Verbindung gibt. Wenn zwei Menschen sich wirklich lieben, neigen sie dazu, über Kleinigkeiten hinwegzusehen. Bei einem Borderliner ist das anders. Das dreckige Geschirr ist für ihn ein Schlag ins Gesicht. Anstatt seine Frau zu fragen, ob sie irgendwelche Probleme hat, interpretiert er die Situation als mangelnden Liebesbeweis. Mit einem Borderliner zu leben, ist wie ein Spaziergang durch ein Minenfeld.«
    »Warum würde jemand überhaupt bei so einem Menschen bleiben?«, fragte Henning.
    »Die einfachste Antwort auf diese Frage lautet Liebe. Anscheinend hat sie ihn geliebt und war bereit, sein Verhalten in Kauf zu nehmen. Es gibt natürlich auch andere Gründe. Vielleicht hatte sie keine Alternativen oder vielleicht dachte sie, er würde sich ändern. Die bittere Wahrheit ist leider, dass Ernie sich nur ändert, wenn er sich einer gründlichen psychiatrischen Behandlung unterzieht. Ansonsten wird er nie klarkommen. Ich hatte vor seiner Entlassung angefangen, echte Fortschritte mit ihm zu machen. Sie müssen wissen, dass diese Leute bis zu einem gewissen Grad instinktiv begreifen, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Sie wissen nur nicht, was es ist oder wie es dazu kam. Nehmen Sie Katzen als einfaches Beispiel. Wenn Katzenbabys in den ersten Wochen ihres Lebens von Menschen Liebe und Zuneigung erfahren, werden sie zu Haustieren. Wenn nicht, verwildern sie. Natürlich geht das bei Menschen nicht so einfach, aber das Prinzip ist im Grunde genommen dasselbe. Empfängt ein Kind nicht die Stimuli, die es braucht, um sich sicher und geborgen zu fühlen, entwickelt es mit Sicherheit emotionale Probleme mehr oder minder schweren Ausmaßes.«
    »Wie ist seine Prognose?«
    »Hoffnungslos, es sei denn, er unterzieht sich einer gründlichen psychiatrischen Behandlung. Von alleine ändert er sich nie. Er kann es nicht. Um eine Metapher zu verwenden, er wird für den Rest seines Lebens den Mond anheulen.«
    »Worüber haben Sie mit ihm gesprochen?«, fragte Nathan. »Ich meine, ganz allgemein. Sie wissen schon. Was dachte Ernie denn, woher seine Probleme kamen?«
    »Ganz einfach«, sagte Fitzgerald. »Seiner Meinung nach war seine Verurteilung wegen Trunkenheit am Steuer an allem schuld. Er sieht sich als Justizopfer.«
    »War er das denn?«
    »Ich habe die Polizeiberichte und Zeugenaussagen gelesen. Ernie hatte zweifellos die zulässige Promillegrenze überschritten, aber um nicht

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